Die Not der EZB mit Negativrenditen
Von Dietegen Müller, FrankfurtDer Negativtrend in den Staatsanleiherenditen hält an. Am Freitag fiel die Rendite der 30-jährigen US-Treasuries auf ein Rekordtief, und in der Schweiz waren erstmals sämtliche Laufzeiten – also bis 50 Jahre – unter der Nulllinie. Schätzungen zufolge liegen Staatspapiere im Wert von weit über 11 Bill. Dollar (rund 10 Bill. Euro) weltweit in negativem Territorium. In Deutschland rentierte die zehnjährige Bundesanleihe am Freitag mit – 0,12 %.Dies stellt perspektivisch auch die Europäische Zentralbank (EZB) vor Probleme. Je mehr Anleihen immer tiefer in den Minusbereich wandern, desto schwieriger wird es, genügend Titel zum Ankauf zu finden. Die EZB hat im März den monatlichen Rahmen für die bis März 2017 laufenden vier Kaufprogramme auf 80 Mrd. Euro hochgefahren. Sie umfassen gedeckte Schuldverschreibungen, Asset Backed Securities, Bonds von Emittenten mit Förderauftrag und europäischen Institutionen sowie Unternehmensanleihen und Staatsanleihen von Euro-Staaten. In letzterem Segment verknappt sich nun das Angebot, was Spekulationen Vorschub leistet, die Ankaufkriterien müssten angepasst werden.Denn Anleihen mit Renditen unter dem derzeitigen Einlagesatz (-0,4 %) kommen für Käufe nicht in Betracht. Laut Berechnung der Commerzbank sind von den 1 019 Mrd. Euro ausstehenden deutschen Staatsanleihen nur noch 312 Mrd. Euro oder 33 % zu den aktuellen Bedingungen ankaufbar. Am Donnerstag kursierten nun Agenturberichte, die EZB würde daher eine Lockerung der Regeln für ihre Käufe erwägen. Analysten halten verschiedene Szenarien für vorstellbar: eine niedrigere Mindestrendite, was auf eine Senkung des Einlagensatzes hinausliefe. Oder eine Ausweitung des Anteils, der je Wertpapierkennnummer gekauft werden darf (derzeit 33 %).Auch eine Änderung des Kapitalschlüssels könnte erwogen werden. Dies wäre aber ein politisch sehr heikler Schritt. Bisher dürfen die nationalen Notenbanken im Markt nicht prozentual mehr Anteile an Staatspapieren ihres eigenen Landes erwerben, als es dem Anteil entspricht, den sie als Eurozone-Notenbank zum EZB-Kapital beitragen. Deutschlands Anteil beträgt dabei 25,6 % vor Frankreich (20,1 %) und Italien (17,5 %). Da der italienische Staatsanleihemarkt aber der größte ist und die Renditen dort höher liegen, könnte etwa eine Orientierung an den Marktanteilen der Anleihemärkte bedeuten, dass die EZB tendenziell mehr Titel aus risikoreicheren Ländern kaufen würde. EZB und Bundesbank kommentierten entsprechende Meldungen nicht.—– Wertberichtigt Seite 6