AUSBLICK AUF DIE GELDPOLITIK IM JAHR 2020

Die Notenbanken stoßen an Grenzen

Fed & Co. halten sich mit Lockerungssignalen zurück - Wachsende Sorge vor gefährlichen Nebenwirkungen

Die Notenbanken stoßen an Grenzen

Als erste der führenden Zentralbanken tagt Anfang nächster Woche die Bank of Japan. Sie eröffnet damit den geldpolitischen Reigen 2020. Fed & Co. folgen dann Schlag auf Schlag. Setzt sich die Lockerung aus 2019 fort oder gibt es erneut einen Kurswechsel? Ein Überblick über den Stand der Debatte in den wichtigsten Währungsräumen. Von Mark Schrörs, Frankfurt Im Jahr 2019 hat es eine bemerkenswerte Umkehr in der globalen Geldpolitik gegeben: Während die Zentralbanken, allen voran die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB), noch zum Jahreswechsel 2018/2019 auf Kurs in Richtung einer Normalisierung der ultralockeren Geldpolitik aus den Jahren nach der Weltfinanzkrise steuerten, legten sie im Jahresverlauf eine 180-Grad-Wende hin: Die Fed senkte im Juli erstmals seit 2008 ihren Leitzins und legte zwei weitere Senkungen nach, und die EZB lockerte ihre ohnehin noch sehr expansive Geldpolitik im September noch einmal deutlich – inklusive neuer Wertpapierkäufe (Quantitative Easing, QE).Die Währungshüter begründeten ihre Entscheidungen mit der globalen Abschwächung der Konjunktur und mehr noch mit den großen Risiken wie den globalen Handelsstreitigkeiten oder der Unsicherheit über den EU-Austritt Großbritanniens, den Brexit. Die Notenbanker sind damit auch immer mehr zu einer Art Risikomanagementansatz übergegangen – also dazu, lieber frühzeitig zu agieren und im Zweifelsfall zu viel zu tun, als zu spät und zu schwach zu reagieren. Dieser Kurs ist aber durchaus umstritten – und hat zum Teil auch in den Zentralbanken für heftige Diskussionen gesorgt: Im EZB-Rat gab es etwa gegen die QE-Neuauflage einen beispiellosen Widerstand. Weltwirtschaft stabilisiert sichZu Jahresbeginn 2020 ist es nun nicht zuletzt an den Finanzmärkten die große Frage, wie es weitergeht: Setzt sich der Lockerungskurs fort oder gibt es einen erneuten Kurswechsel der Währungshüter – oder aber zumindest eine Kursanpassung?Die Zentralbanken präsentieren sich zum Jahresanfang auf jeden Fall zurückhaltender als 2019. So hat die Fed, die weltweit immer noch den geldpolitischen Ton angibt, das Signal gegeben, zumindest vorerst auf weitere Zinssenkungen zu verzichten. Die aktuellen Fed-Projektionen deuten auf einen unveränderten Zins im Jahr 2020 hin. Und auch die EZB hat zuletzt Erwartungen einer weiteren Lockerung eher gedämpft – wenngleich sie für den Notfall weiter ihre Handlungsbereitschaft betont.Zur jüngsten Entwicklung hat sicher beigetragen, dass sich die Weltwirtschaft zu stabilisieren scheint. Zudem gab es an zwei entscheidenden Fronten Signale der Entspannung: Im Handelsstreit der beiden weltgrößten Volkswirtschaften USA und China wurde am Mittwoch ein erstes Teilabkommen (Phase-1-Deal) abgeschlossen. Und die Wahl in Großbritannien hat eine klare Mehrheit für Premier Boris Johnson gebracht – womit die Aussicht auf ein Ende des Brexit-Chaos gestiegen ist.Der Internationale Währungsfonds erwartet eine Beschleunigung des globalen Wachstums von 3,0 % im abgelaufenen Jahr auf 3,4 % in diesem Jahr. Zugleich ist zwar die Inflation vielerorts immer noch gedämpft und sie liegt speziell in vielen Industrieländern eher unterhalb der Ziele der Zentralbanken – was für die Währungshüter ein großes Rätsel darstellt. Die Lage ist aber eben auch nicht so, dass sie nun den Bedarf für eine weitere starke Lockerung signalisiert. In den USA etwa ist die Arbeitslosenquote so niedrig wie seit fast 50 Jahren nicht. Appell an die FiskalpolitikHinzu kommen zwei wichtige Aspekte: Zum einen nehmen die Zweifel an der Wirksamkeit einer weiteren geldpolitischen Lockerung und die Bedenken hinsichtlich der Kosten-Nutzen-Bilanz zu. Mancherorts wird sogar schon diskutiert, ob der sogenannte Umkehrzins erreicht ist, ab dem die Geldpolitik mehr schadet als nutzt. Zum anderen sind die Mittel der Zentralbanken angesichts von Null- und Negativzinsen und aufgeblähten Notenbankbilanzen überwiegend schon weit ausgereizt. Sie stoßen schlicht an ihre Grenzen.Das erklärt denn auch, warum die Währungshüter immer offensiver darauf dringen, dass andere Politikbereiche stärker Verantwortung übernehmen – insbesondere die Fiskalpolitik. Spätestens im Fall einer neuerlichen Rezession, am besten aber schon früher, sollten die Politiker mehr Geld ausgeben. Das Problem: In vielen Ländern, nicht zuletzt im Euroraum, ist der fiskalische Spielraum eher gering. Überhaupt hat die globale Verschuldung, also jene von Staaten, Unternehmen und Privathaushalten, eine Rekordmarke erreicht. Laut der Bankenlobby IIF lag sie Ende des dritten Quartals 2019 bei 253 Bill. Dollar – das entspricht rund 322 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts.Während Fed & Co. nun vorsichtig den weiteren Kurs erkunden, hat die älteste Zentralbank der Welt bereits Fakten geschaffen: Die schwedische Riksbank hob Mitte Dezember ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 0 % an und beendete damit die Negativzinsära im Land. Im Jahr 2009 hatte sie sich als erste Zentralbank weltweit auf das Experiment eingelassen. Jetzt ist damit aber Schluss.