Die Probleme der rumänischen EU-Ratspräsidentschaft
Von Andreas Heitker, BrüsselIm zweiten Halbjahr 2018 hatte die österreichische Regierung den Vorsitz bei insgesamt 2 722 EU-Veranstaltungen inne. Und auch wenn es anfangs knirschte: Die EU-Ratspräsidentschaft Wiens war am Ende ein voller Erfolg: 53 politische Einigungen mit dem EU-Parlament über neue Gesetze wurden erreicht, insgesamt 75 Verständigungen zwischen den Mitgliedstaaten erzielt, 56 Schlussfolgerungen und Empfehlungen angenommen und 52 Rechtsakte unterschrieben. Daneben wurde die Arbeit am künftigen EU-Finanzrahmen weiter vorangetrieben.Die konsequente Verhandlungsführung der Österreicher war wichtig, da sich das Mandat des EU-Parlaments dem Ende zuneigt. Alle Dossiers, die nicht Anfang April endgültig abgeschlossen sind, werden erst einmal auf unbestimmte Zeit vertagt. Das kurze noch offene Zeitfenster muss nun die rumänische Regierung nutzen, die zu Jahresbeginn die Ratspräsidentschaft übernommen hat – zum ersten Mal, seit das Land 2007 in die EU eingetreten ist.Es geht im nächsten halben Jahr, das nach Ansicht vieler Beobachter entscheidend für den weiteren Weg der Union ist, aber nicht nur um über 40 noch nicht abgeschlossene Gesetzgebungsprozesse. Es geht auch darum, den Ende März anstehenden Brexit und seine womöglich chaotischen Auswirkungen zu managen. Und es geht um Grundsatzentscheidungen der Mitgliedstaaten, wie die EU der Zukunft aussehen soll. Hierfür wurde für Mai in Sibiu (Hermannstadt) ein Sondergipfel anberaumt.Dass in einer so entscheidenden Phase nun ausgerechnet Rumänien den Vorsitz über Hunderte von Sitzungen übernimmt, sorgt für Alarmstimmung in Brüssel. Selten ist einem Land zu Beginn seiner Ratspräsidentschaft mit solcher Skepsis begegnet worden. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagte vor einigen Tagen, Rumänien sei zwar technisch gut vorbereitet. “Ich glaube aber, dass die Regierung in Bukarest noch nicht in vollem Umfang begriffen hat, was es bedeutet, den Vorsitz über die EU-Länder zu führen”, monierte der Luxemburger. Dazu brauche es auch den festen Willen, eigene Anliegen hintanzustellen. “Da habe ich einige Zweifel.” Ähnliche Stimmen sind aus dem EU-Parlament zu hören. Und der SPD-Bundestagsabgeordnete Achim Post erklärte: “Leider hat man bislang den Eindruck, dass die rumänische Regierung sich mehr um Fragen des eigenen Machterhalts kümmert, als wirklich alle Kraft auf die Stärkung Europas zu richten.”Hintergrund der Kritik sind drei massive innenpolitische Probleme, die jetzt Auswirkungen auf die ganze EU haben könnten: Es geht dabei um Machtkämpfe, Korruption und obendrein eine aus dem Ruder gelaufene Haushaltspolitik. Seit der Parlamentswahl Ende 2016 kommt das Land nicht zur Ruhe. An der Macht ist die sozialdemokratische PSD, die eine Koalition mit den Liberalen gebildet hat. Der starke Mann ist PSD-Chef Liviu Dragnea, ein Strippenzieher, der wegen einer Vorstrafe wegen Wahlmanipulation selbst nicht im Kabinett sitzt. Es laufen noch Verfahren wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch und Veruntreuung von EU-Geldern gegen ihn.Die aktuelle Ministerpräsidentin Viorica Dancila ist seit der Wahl die dritte Regierungschefin von Dragneas Gnaden. Mehr als 70 Minister wurden seither verschlissen. Viele Mitglieder im aktuellen Kabinett haben kaum politische Erfahrung. Nicht nur Siegfried Muresan, christdemokratischer EU-Abgeordneter aus Rumänien, stellt deshalb öffentlich die Glaubwürdigkeit der Regierung in Frage: Wie könne es ohne Erfahrung gelingen, auch mal eine zehnstündige EU-Ratssitzung erfolgreich zu leiten, fragt er. Staatspräsident Klaus Johannis, der auf Konfrontationskurs zur Regierung gegangen ist, hatte diese kürzlich als “Unfall der rumänischen Demokratie” bezeichnet. PSD-Chef Dragnea konterte und forderte eine Anklage gegen Johannis wegen Hochverrats.Erst Mitte November hatte die EU-Kommission erhebliche Defizite in Bereichen wie Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung angeprangert. Rumäniens Reformprozess sei nicht nur ins Stocken geraten, sondern es seien sogar Rückschritte gemacht worden, hieß es in einem Bericht. Vor allem die umstrittene Justizreform, von der korrupte Politiker, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, profitieren, sorgt für Aufregung. Die rumänische Regierung will die Kritik – auch die jüngste von Juncker – aber nicht auf sich sitzen lassen. Ministerpräsidentin Dancila warf Brüssel vor, ihr Land zu diskriminieren und das Recht auf eine eigene Meinung zu verweigern – und dies nur, weil Rumänien ein osteuropäisches Land sei.Am nächsten Donnerstag reisen Juncker und seine komplette EU-Kommission zur offiziellen Eröffnungszeremonie der Ratspräsidentschaft nach Bukarest. Dann wird sich die Gelegenheit bieten, einiges zu klären, auch was die katastrophale Haushaltspolitik der Regierung Dancila betrifft. Rumänien plant in diesem Jahr mit einer Neuverschuldung von 3,4 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und im nächsten Jahr sogar mit 4,7 % (siehe Grafik). Von einer Mitgliedschaft in der Eurozone, wie sie der Nachbar Bulgarien im Rahmen seiner Ratspräsidentschaft im vergangenen Jahr vorangetrieben hat, ist Rumänien zurzeit weit entfernt.