IM BLICKFELD

Die Rufe nach einem deutschen Lobbyregister werden lauter

Von Stefan Paravicini, Berlin Börsen-Zeitung, 24.6.2020 Als der Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor im vergangenen Jahr in der Satiresendung "Chez Krömer" im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) zu Gast war und sein Gastgeber ihm zum Ende der Sendung...

Die Rufe nach einem deutschen Lobbyregister werden lauter

Von Stefan Paravicini, BerlinAls der Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor im vergangenen Jahr in der Satiresendung “Chez Krömer” im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) zu Gast war und sein Gastgeber ihm zum Ende der Sendung eine Tafel Schokolade für den Nachhauseweg offerierte, lehnte die CDU-Nachwuchshoffnung dankend ab. “Das müsste ich als Abgeordnetenspende verbuchen, aber solche Dinge mache ich grundsätzlich nicht”, erklärte der Politiker. Mittlerweile weiß man, dass Amthor weniger Vorbehalte hat, wenn es darum geht, ein gutes Wort für eine obskure US-Softwarefirma mit Verbindungen zur ehemaligen CSU-Nachwuchshoffnung Karl-Theodor zu Guttenberg bei Wirtschaftsminister und Parteifreund Peter Altmaier (CDU) einzulegen, sofern das mit Aktienoptionen und einem Posten vergolten wird.Weil auch solche Dinge künftig nicht mehr passieren sollen, sind in den Tagen seit der Veröffentlichung des “Spiegel” über Amthors Verwicklungen mit der US-Firma Augustus Intelligence, für die er sich bei Altmaier verwendete, bevor er Aktienoptionen und einen Direktorenposten erhielt, die Forderungen nach einem Lobbyregister für den Deutschen Bundestag wieder laut geworden. Langjährige Verfechter wie die Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol argumentieren, dass eine Firma wie Augustus Intelligence in Brüssel verpflichtet gewesen wäre, sich in das 2011 eingeführte Transparenzregister von EU-Parlament und EU-Kommission einzutragen, bevor ihre Interessenvertreter Lobbyarbeit bei den EU-Institutionen nachgehen. In Deutschland gibt es dagegen schon seit 1972 das sogenannte Verbänderegister, in dem auch die mehr als 500 Verbände erfasst sind, die laut Lobbycontrol zuletzt über einen Hausausweis für den Bundestag verfügten und damit nahezu ungehinderten Zugang zum Parlament hatten (siehe Grafik). Lobbyagenturen, Berater, Denkfabriken und Kanzleien, die im gleichen Umfeld tätig sind, werden aber nicht erfasst. Ein Lobbyregister scheiterte zuletzt vor allem am politischen Widerstand der Union.Augustus Intelligence und Philipp Amthor scheinen zumindest ein vorsichtiges Umdenken zu bewirken. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kündigte zuletzt immerhin die Umsetzung eines “vernünftigen” Lobbyregisters noch in dieser Legislaturperiode an. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) machte sich in dieser Woche schon zum wiederholten Mal für eine schnelle Einführung stark und stellte dabei einen Bezug zur Corona-Pandemie her. “Gerade in einer Wirtschaftskrise wie derzeit ist ein enger Austausch zwischen Verantwortlichen in der Politik und Betroffenen in der Wirtschaft unerlässlich”, erklärte BDI-Präsident Dieter Kempf.Aus der Opposition kommen indessen Bedenken, dass es die Union mit Transparenz am Ende doch nicht ganz so ernst meinen könnte. “Ein richtiges Lobbyregister bedeutet, dass Termine von Regierungsmitgliedern und Abgeordneten mit Lobbyisten veröffentlicht werden”, sagte der Europa-Abgeordnete Sven Giegold am Dienstag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die CDU wolle aber offensichtlich nur transparent machen, welche Lobbyverbände in Berlin tätig seien.Die Parlamentsgeschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, kritisierte am Dienstag die Äußerungen von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) zu den Lobbyismusvorwürfen gegen Amthor. Schäuble hatte erklärt, bei der Nebentätigkeit für Augustus Intelligence bislang keinen Regelverstoß zu erkennen. Kritik des Europarats verhalltBeteiligungen an Unternehmen müssen Bundestagsabgeordnete bisher nur anzeigen, wenn sie mehr als 25 % der Anteile einer Gesellschaft kontrollieren. Vom Umgang mit Aktienoptionen ist in den Verhaltensregeln für die Abgeordneten gar nicht die Rede. Bei Gastgeschenken sind die Regeln strenger.Die Staatengruppe gegen Korruption (Greco), eine Staatengruppe des Europarats, hat Deutschland erst vor einem Jahr wieder dafür gerügt, der Empfehlung, die Offenlegungspflichten für Bundestagsabgeordnete zu überprüfen, nicht nachgekommen zu sein. Von acht Greco-Empfehlungen im jüngsten Evaluierungsbericht habe Deutschland nur drei umgesetzt. Eine Empfehlung, die nur zum Teil umgesetzt wurde, betrifft die Transparenz der Kontakte von Abgeordneten mit Lobbyisten. Sie hat mittlerweile gute Chancen, in Form eines Lobbyregisters doch noch zum Zug zu kommen.