Die sagenhaften Thatcher Boys
Von Andreas Hippin, LondonSein Kampf für die schwarze Null im Staatshaushalt hat die Wähler überzeugt. George Gideon Oliver Osborne (43) wird nach dem Sieg der Konservativen bei der landesweiten Wahl vom Donnerstag weiter Schatzkanzler bleiben. Sein bisheriger Kabinettskollege Sajid Javid (45) wird Wirtschaftsminister. Dessen Vorgänger Vince Cable von den Liberaldemokraten hatte neben seinem Amt auch noch sein Mandat in Westminster verloren. Beide sind erklärte Fans der “eisernen Lady”, Margaret Thatcher – allerdings unterscheidet sich ihr persönlicher Hintergrund dramatisch.Osborne ist der typische “Golden Boy”. Der Spross einer der ältesten angloirischen Adelsfamilien erbt die 1629 von Charles I geschaffene Baronetswürde von Ballintaylor und Ballylemon. Ihm gehören 15 % der Premium-Tapetenfirma Osborne & Little. Private Banking, Skiurlaub in Klosters, Privatschulen für die Kinder – Osborne lebt seinen Wohlstand aus. Ausgebildet wurde er an der renommierten St. Paul’s School in London. Damit war die akademische Karriere in Oxford gewissermaßen vorprogrammiert. Wie Premierminister David Cameron und der Londoner Bürgermeister Boris Johnson gehörte Osborne in seiner Studienzeit dem Bullingdon Club an. Mit 23 wurde er Leiter der politischen Abteilung des Conservative Research Department, den Job hatte ihm ein Studienfreund vermittelt. Er arbeitete dann als Berater konservativer Abgeordneter wie William Hague, bis ihm der sichere Tony-Wahlkreis Tatton vermacht wurde. Mit 34 stand der Befürworter eines knallharten Thatcherismus vor der Wahl, dem Modernisierer Cameron die Führung streitig zu machen. Allerdings fehlt es dem Schwiegersohn von Lord Howell of Gildford, der 1979 dem ersten Thatcher-Kabinett angehörte, am Charisma, das einen populären Anführer ausmacht. Nach Absprache mit seiner Frau verzichtete er darauf und wurde lieber Kandidat der Tories für das Amt des Schatzkanzlers. Fünf Jahre später übernahm er den Chefsessel im Schatzamt.Als Sajid Javid vor fünf Jahren ins Unterhaus einzog, wurde er von Kommentatoren bereits als mögliche künftige Führungskraft der Konservativen gehandelt, obwohl er bei seinen öffentlichen Auftritten gelegentlich etwas hölzern wirkt. Der Sohn eines Busfahrers aus Rochdale gehört zu den wenigen in seiner Partei, die aus einfachen Verhältnissen stammen. Zudem ist er genau die Sorte Politiker, von denen die Tories gerne mehr hätten: “British Asians”, die aufstiegsorientiert und konservativ denken. Sein Vater, Abdul-Ghani Javid, war 1961 mit einem Pfund in der Tasche aus Pakistan nach Großbritannien gekommen. Dreizehn Jahre zuvor hatte die Familie bei der Teilung Indiens alles verloren. Sajid Javid besuchte eine Gesamtschule in Bristol und studierte anschließend Wirtschaft und Politik an der University of Exeter. Margaret Thatcher inspirierte ihn.1990 verteilte der bekennende “Star Trek”-Fan auf dem Parteitag der Konservativen Flugblätter gegen eine Mitgliedschaft des Landes im Europäischen Währungssystem. Seine Frau Laura traf er, als er in den Semesterferien für eine Versicherung in Bristol arbeitete. Mit 25 war der ehrgeizige Euroskeptiker der bislang jüngste Vice President der Chase Manhattan Bank in New York, 1997 zog er nach London, drei Jahre später kam er als Director zur Deutschen Bank. Nach vier Jahren bei dem deutschen Institut war er Managing Director, 2007 zog er nach Singapur um.Nach rund zwei Jahrzehnten Banking zog es den Vater von vier Kindern schließlich in die Politik. Ein Jahr nach seiner Wahl ins Unterhaus wurde er George Osbornes PPS (Personal Private Secretary). Neben diversen Rollen im Schatzamt – unter anderem als City-Minister – hatte er bislang das Amt des Gleichberechtigungsministers und des Ministers für Kultur, Medien und Sport inne.Javid hat keine Angst, klare Meinungen zu vertreten. Er gilt als entschiedener Unterstützer Israels. Nach dem Anschlag auf das Satiremagazin “Charlie Hebdo” in Paris sagte er, es wäre denkfaul zu behaupten, der Angriff hätte rein überhaupt nichts mit dem Islam zu tun. Vor einem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union hat er keine Angst. “Maggies muslimischer Erbe”, nannte ihn die “Daily Mail”.