Die Schweizer Notenbank überrascht erneut
Schweizer Notenbank überrascht mit Zinssenkung
Zweiter Schritt innerhalb von drei Monaten – Jordan lobt UBS-Regulierungspaket der Schweizer Finanzministerin
dz Zürich
Die Schweizerische Nationalbank hat zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten den Leitzins gesenkt und damit viele ihrer Beobachter erneut überrascht. Das Noteninstitut senkte den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 1,25%. Als Begründung nannte es den abnehmenden Inflationsdruck.
Abnehmender Teuerungsdruck
Zwar hat sich die effektiv gemessene Teuerung in der Schweiz im Vergleich zum ersten Quartal des Jahres auf aktuell 1,4% leicht erhöht, doch die Franken-Wächter erwarten, dass sich die Teuerung unter der Bedingung eins gleichbleibenden Leitzinses im Jahresdurchschnitt auf 1,3% verlangsamen wird. Im März lag die bedingte Inflationsprognose der SNB noch bei 1,4% für das laufende Jahr. Auch für die kommenden zwei Jahre geht das Noteninstitut nun von leicht tieferen Teuerungsraten von 1,1% bzw. 1% aus.
Die Zuversicht schöpft der im September abtretende SNB-Chef Thomas Jordan vor allem aus dem Umstand, dass die Phase steigender Mieten mit der Zinswende bald beendet sein wird. Mieten haben ein Gewicht von rund 20% im Warenkorb. Sie waren für die Hälfte des Teuerungsanstiegs seit Jahresbeginn verantwortlich.
Leitzinssenkung kommt unerwartet
Viele Beobachter hatten dennoch keine weitere Leitzinssenkung erwartet, nachdem sich die Zinsdifferenz vor allem zur EZB, aber auch zur Fed seit März vergrößert hat. Die erwartbare Abschwächung des Franken, die nach den Erfahrungen frühere Jahre mit einer solchen Ausweitung der Zinsdifferenz einhergehen und einen importierten Teuerungsdruck erzeugen könnte, ist aber ausgeblieben. Seit der ersten Leitzinssenkung im März hat der Franken zum Euro sogar um rund 1% aufgewertet. Ein Euro kostet aktuell wieder weniger als 96 Rappen. Mit 89 Rappen pro Dollar verharrt auch die US-Valuta aktuell etwa auf dem Stand von März dieses Jahres.
Die Gründe für diese eher überraschende Entwicklung der Wechselkurse sind mehrschichtig. Das Potenzial für weitere Leitzinssenkungen in der Schweiz im Vergleich zum Ausland wird als nur noch relativ gering angesehen. Viele sehen die Untergrenze bei 1% und stützen sich dabei auf eine Rede, die Jordan unlängst zum neutralen Gleichgewichtszins gehalten hatte. Er schätzt den Gleichgewichtszins für die Schweiz auf ungefähr 0%, was unter der Annahme einer Inflationsrate von 1% ein geldpolitisch neutrales Leitzinsniveau von 1% impliziert.
Schweizer Wirtschaft entwickelt sich nahe an ihrem Potenzial
Für einen geldpolitisch neutralen Kurs spricht auch, dass sich die Schweizer Wirtschaft mit einem von der SNB geschätzten Wachstum von 1% im laufenden und von 1,5% im kommenden Jahr nahe an ihrem Potenzial entwickelt.
Für eine stabile Franken-Nachfrage sprechen aber auch die politischen Unsicherheiten in Europa. Nicht zuletzt dürfte die Nationalbank mit ihrer Leitzinssenkung das Ziel verfolgt haben, die Glaubwürdigkeit ihrer Entscheidung vom März zu untermauern.
Finanzstabilitätsbericht wird veröffentlicht
Die Nationalbank präsentierte am Donnerstag auch ihren jährlichen Bericht zur Finanzstabilität. Dieser zeigt, dass die Schweiz 15 Monate nach der Rettungsaktion für die Credit Suisse den Krisenmodus verlassen hat. So verweist der Bericht auf die weiterhin steigende Profitabilität der Banken aller Kategorien. Diese erreichten per Ende März eine durchschnittliche Gewinnquote gemessen an den gesamten Bilanzaktiva von 1,6%. Das ist fast dreimal so viel wie 2022 (0,56%) oder etwa so viel wie zuletzt vor 13 Jahren. „Wir begrüßen die Stärkung der Widerstandskraft“, sagte der für den Bericht zuständige SNB-Vizepräsident Martin Schlegel.
Indessen betont der Stabilitätsbericht auch, dass die im Zuge des Negativzinsregimes eingetretene Verschlechterung der durchschnittlichen Zinsmargen von rund 1,7% (2009) auf aktuell 1,1% noch lange nicht aufgeholt ist. Entsprechend konzentriert sich der SNB-Bericht auf die weiterhin bestehenden Risiken im System. Vieles dreht sich im Moment um die Verarbeitung der Credit-Suisse-Krise.
„Außerordentlich gut“
Die Nationalbank-Führung zeigte sich entschlossen, die Lehren aus dieser Schlüsselerfahrung gemeinsam und in enger Absprache mit der Finanzmarktaufsicht und der Regierung zu ziehen. Ein im April von der Finanzministerin Karin Keller-Sutter veröffentlichtes Paket mit 22 Maßnahmen zur Schließung bestehender Regulierungslücken lobte Jordan als „außerordentlich gut“. Die Maßnahmen sollen ab dem kommenden Frühjahr umgesetzt werden.