IM BLICKFELD

Die Schweizerische Nationalbank in der Zwickmühle

Von Daniel Zulauf, Zürich Börsen-Zeitung, 6.11.2014 Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist auf dem besten Weg zu einem Rekordgewinn. Am Freitag kommunizierte das Noteninstitut ein Neunmonatsergebnis von 28,5 Mrd. sfr, und die Chancen stehen gut,...

Die Schweizerische Nationalbank in der Zwickmühle

Von Daniel Zulauf, ZürichDie Schweizerische Nationalbank (SNB) ist auf dem besten Weg zu einem Rekordgewinn. Am Freitag kommunizierte das Noteninstitut ein Neunmonatsergebnis von 28,5 Mrd. sfr, und die Chancen stehen gut, dass davon auch am Jahresende das meiste noch übrig ist. Was man schon lange weiß, wird jetzt sichtbar: In der riesigen Bilanz des Noteninstituts steckt ein enormes Gewinnpotenzial. Immense RisikenDie gigantischen Devisenanlagen von aktuell 471 Mrd. sfr, welche die SNB als Folge der seit 2010 betriebenen Wechselkurspolitik vor sich her schiebt, bergen freilich auch immense Risiken. 2010 resultierte ein Rekordminus von fast 20 Mrd. sfr, und 2013 fiel abermals ein gigantischer Verlust von 9 Mrd. sfr an. Als Folge davon mussten der Bund, die Kantone und die privaten Aktionäre erstmals in der 107-jährigen Geschichte des Schweizer Noteninstituts auf eine Ausschüttung verzichten.Die überdimensionierte Bilanz wird für die SNB zunehmend zur Gefahr, in die Mangel der Politik zu geraten. Nichts zeigt dies deutlicher als die Gold-Initiative, über die das Schweizer Stimmvolk am 30. November zu befinden hat. Die Initianten sind geschockt von der enormen Ausweitung der SNB-Bilanz, deren Volumen seit 2009 von 208 Mrd. sfr auf zuletzt 522 Mrd. sfr angeschwollen ist. Das aktuelle Bilanzvolumen entspricht fast 80 % des Bruttoinlandsproduktes. Mit dieser problematischen Situation vor Augen wollen die Initianten den Schweizer Währungshütern die Hände binden. Sie verlangen ein absolutes Verkaufsverbot für den Goldbestand von aktuell 1 040 Tonnen, der zudem vollumfänglich in der Schweiz zu verwahren sei. Vor allem aber fordern sie, dass die SNB binnen fünf Jahren mit mindestens einem Fünftel ihrer Aktiven in Gold investiert ist.Selbstredend wissen die Initianten, dass sie damit direkt die Euro-Mindestkurspolitik der SNB torpedieren. Um der Forderung der Initiative gerecht zu werden, müsste die SNB große Teile ihrer Fremdwährungsanlagen gegen Gold verkaufen und könnte deshalb kaum mehr Euros erwerben, um nötigenfalls den seit September 2011 geltenden Euro-Mindestkurs von 1,20 sfr zu verteidigen. Zwar werden die Erfolgschancen der Initiative an der Urne als sehr gering eingestuft, zumal bislang vor allem Vorteile und noch kaum Nachteile der SNB-Politik sichtbar geworden sind. Als Warnung taugt das Volksbegehren aber allemal.Geschlossen zurückgewiesen wird die Gold-Initiative unter anderem von der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren. Diese gefährde die Gewinnausschüttungen an die Kantone zusätzlich und erhöhe den Druck auf Steuererhöhungen, Leistungsabbau und Neuverschuldung. Die für 2013 ausgebliebene Gewinnausschüttung habe die damit verbundenen Probleme bereits deutlich aufgezeigt. Wenn die Finanzdirektoren mit ihren finanziellen Ansprüchen an die SNB dennoch hinter dem Berg halten, dann offensichtlich vor allem aus Anstand: “Gewinnerzielung und -ausschüttungen entsprechen zwar weder dem Zweck noch dem Auftrag der SNB. Dennoch ist es unerfreulich, wenn sie ausbleiben”, halten die 24 Kantone in ihrer Stellungnahme zu dem Volksbegehren fest. Bis vor einem Jahr hat die Nationalbank der öffentlichen Hand zuverlässig viel Geld in die Kassen gespült. Nach dem geltenden Verteilschlüssel entfallen zwei Drittel der Ausschüttungen auf die Kantone und ein Drittel auf den Bund. Gemessen an den Fiskalerträgen mögen die Beiträge der Notenbank an die Kantonsfinanzen mit zuletzt weniger als 1 % im Durchschnitt zwar gering erscheinen. Doch in vielen Kantonen, die mit teilweise einschneidenden Sparübungen um einen ausgeglichenen Staatshaushalt kämpfen, geben sie im parlamentarischen Alltag den Ausschlag in der Konsensfindung.Die Finanzdirektoren und der Bund haben durchaus Grund, sich schon heute die Hände zu reiben. Sollte sich am Neunmonatsgewinn der SNB von 28,5 Mrd. sfr bis Ende Jahr nichts mehr ändern, was zwar eine zugegebenermaßen spekulative, aber keine unrealistische Annahme ist, winkt ihnen wieder eine erkleckliche Ausschüttung. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Notenbank zuerst ihren Verpflichtungen nachkommen kann. Sie wird die Rückstellung für Wertschwankungen in den Währungsreserven mindestens im Ausmaß des Vorjahres (3 Mrd. sfr) dotieren und mit dem verbleibenden Gewinn das im Vorjahr in der Ausschüttungsreserve entstandene Loch von 6,8 Mrd. sfr wieder auffüllen müssen. Reserven auffüllenDoch unter der genannten Annahme eines bis zum Jahresende unveränderten Gewinns ergäbe sich in der Ausschüttungsreserve ein positiver Saldo von 18 Mrd. sfr, den es zu verteilen gäbe. Selbst in den besten Jahren war die Reserve kaum größer. Im Zug der Verluste in den vergangenen Jahren wurde die Ausschüttung 2012 von ehemals 2,5 Mrd. sfr auf 1 Mrd. sfr zurückgestutzt (und im vergangenen Jahr ganz fallengelassen). Damit einher ging aber eine Erneuerung der Ausschüttungsvereinbarung zwischen der SNB und dem Eidgenössischen Finanzdepartement. Diese sieht vor, dass die Höhe der Ausschüttung neu festgelegt werden muss, wenn die Ausschüttungsreserve das Niveau von 10 Mrd. sfr übersteigt. In diesem Prozess eröffnet sich den Kantonen, aber auch dem Bund die Möglichkeit, ihre Ansprüche geltend zu machen. Der Bedarf an zusätzlichen Einnahmen ist hüben wie drüben groß. Allein die geplante Unternehmensteuerreform, die zu einer generellen Absenkung des Gewinnsteuerniveaus führen soll, wird die Staatshaushalte mit schätzungsweise 4 Mrd. sfr im Jahr belasten.Zwar können Bund und Kantone ihren Anspruch auf Ausschüttungen der Nationalbank mit guten Gründen vertreten. Denn diese erwirtschaftet ihre Gewinne auf der Grundlage des vom Volk gewährten Monopols, Geld auszugeben. Doch ein fester Verteilungsmechanismus schafft zwangsläufig Abhängigkeiten. Vor diesem Hintergrund könnte sich die Notenbank in einigen Jahren durchaus in der Situation wiederfinden, in der sie die Gewinnerzielung zu einer Handelsmaxime erheben muss. Der Gedanke liegt auf der Hand, dass eine solche Bedingung dereinst den Rückbau der Bilanz erschweren oder mindestens verzögern könnte. Und so wie die aktuelle Gold-Initiative die SNB in die Schranken weisen will, sind in Zukunft auch Initiativen denkbar, die eine politisch motivierte Verteilung künftiger Notenbankgewinne zum Inhalt haben. Die Kosa-Initiative, die einen großen Teil der Nationalbankgewinne direkt in die staatliche Altersvorsorge lenken wollte, wurde 2006 vom Volk mit 58 % der Stimmen abgewiesen. Je länger die SNB mit ihrer aufgeblähten Bilanz weiterfährt, desto wahrscheinlicher werden neue Vorstöße mit ähnlicher Stoßrichtung. Wie die SNB aus dieser Zwickmühle herauskommen will, weiß auch dort noch keiner.