Die Sorgen der Ministerpräsidenten um die Wettbewerbsfähigkeit
Die Sorgen der Ministerpräsidenten
Bundesländer fordern Brückenstrompreis für energieintensive Unternehmen – Maschinenbauer: Falsche Botschaft
Aus Angst um Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit rufen die Chefs der 16 Bundesländer in seltener Einigkeit nach einem Brückenstrompreis für energieintensive Unternehmen. Niedersachsens Ministerpräsident Weil beteuert, es gehe nicht um eine Dauersubvention. Trotzdem sind nicht alle Wirtschaftsverbände begeistert.
rec Brüssel
Die Ministerpräsidenten schlagen Alarm in Sachen Wettbewerbsfähigkeit. „Wir müssen aufpassen, dass nicht die industrielle Landschaft in Deutschland insgesamt großen Schaden nimmt“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zum Abschluss der Ministerpräsidentenkonferenz in Brüssel. Er hat den Vorsitz der Runde.
Gemeinsam machen sich die 16 Landeschefs deshalb für weitere staatliche Hilfe stark. In einer am Donnerstag veröffentlichten „Brüsseler Erklärung der Länder“ dringen sie auf die Möglichkeit, übergangsweise „einen wettbewerbsfähigen Brückenstrompreis vor allem für energieintensive und im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen zu etablieren, bis bezahlbare erneuerbare Energien in hinreichendem Umfang zur Verfügung stehen“.
Seit Wochen ist eine kontroverse Debatte über einen wie auch immer gearteten speziellen Industriestrompreis im Gange. Sie entzweit die Ampel-Koalition in Berlin, wodurch Kanzler Olaf Scholz aus den eigenen Reihen unter Druck geraten ist. Sie bringt verschiedene Teile der Wirtschaft und Ökonomen gegeneinander auf. Und sie ruft europarechtliche Bedenken hervor, weil die EU-Kommission den geforderten Brückenstrompreis beihilferechtlich genehmigen müsste.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ließ sich dazu nichts entlocken, als sie am Mittwochabend vor Gesprächen mit den in Brüssel versammelten Ministerpräsidenten vor die Mikrofone trat. „Wir wollen zeigen, dass Naturschutz, Klimaschutz und Wachstum Hand in Hand gehen“, sagte von der Leyen. „Vor allen Dingen müssen wir schneller werden.“
Geduldsprobe für Firmen
Das gilt selbst für Projekte, die die EU-Kommission eigentlich mit Nachdruck vorantreiben will. Dafür hat sie sich sogar ein eigenes Akronym ausgedacht: IPCEI, Important Projects of Common European Interest. Doch auch bei den IPCEI läuft es schleppend. So hat sich dem Vernehmen nach in der deutschen Wasserstoffwirtschaft Unmut breitgemacht, weil Unternehmen weit mehr als ein Jahr nach Projektantrag immer noch auf Förderbescheide aus Brüssel warten.
Nach von der Leyen hörten sich am Donnerstag weitere EU-Kommissare die Sorgen der Ministerpräsidenten an. Das Problem der Energiepreise habe sich wie ein roter Faden durch sämtliche Gespräche gezogen, sagte Weil. Dabei seien die 16 Länderchefs „bemerkenswert geschlossen und klar aufgetreten“. Im Werben um einen Brückenstrompreis gehe es „nicht um dauerhafte Subventionen“, beteuerte Weil. Sondern darum, Zeit zu überbrücken, bis den Unternehmen ausreichend grüne Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung stehe.
Unterstützung bekommt Weil von Hendrik Wüst. Der CDU-Politiker vertritt als NRW-Ministerpräsident die Belange der unionsgeführten Länder. Wüst will zudem die Stromsteuer senken. „Wir brauchen eine Mischung aus beidem“, sagte Wüst im ZDF. „Sonst gehen Monat für Monat Industriearbeitsplätze verloren.“
Energieintensive Branchen wie Chemie und Stahl fühlen sich erhört. Der Chef des Chemieverbands VCI, Wolfgang Große Entrup, sieht im Brückenstrompreis eines der Schlüsselelemente, „die Bund und Länder vorantreiben müssen und die Europa nicht durch überlange beihilferechtliche Prüfverfahren ausbremsen darf“. Bernhard Osburg, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, lobt ebenfalls ein starkes Signal: „Später ist zu spät, wir brauchen jetzt eine Entscheidung.“
Anders Thilo Brodtmann vom Maschinenbauverband VDMA: Der Ruf nach einem subventionierten Strompreis für energieintensive Unternehmen transportiere die falsche Botschaft. „Denn ein derartiger Brückenstrompreis für Deutschland konterkariert einen europäischen Ansatz, globale Probleme wie zum Beispiel die hohen Energiekosten gemeinsam anzugehen. Außerdem droht eine solche Subvention den Europäischen Binnenmarkt zu verzerren.“