Die tiefe Krise der Republikaner
Die Republikaner in den USA haben die Präsidentschaft verloren, stellen nun in beiden Kammern des Kongresses die Minderheit und sind so tief gespalten wie zu kaum einem Zeitpunkt in der Geschichte der Grand Old Party. Angesichts der tiefen Kluft, die der radikale Populismus der Marke Donald Trump in dessen eigener Partei aufgerissen hat, resignieren immer mehr politisch moderate Republikaner und kehren dem politischen Betrieb in Washington verzweifelt den Rücken.
Überraschend ist der Trend nicht. Schließlich hatte der provokante und rabiate Regierungsstil des früheren Präsidenten schon während seiner ersten zwei Jahre im Amt prominente Opfer gefordert. Senator Jeff Flake aus Arizona und Paul Ryan, der ehemalige Sprecher des Repräsentantenhauses und seinerzeit neben Trump der mächtigste Vertreter seiner Partei in Washington, verzichteten auf eine weitere Kandidatur. Senator Richard Burr aus North Carolina, eigentlich ein rigider Trump-Loyalist, hatte nach dessen Sieg 2016 angekündigt, dass er seine laufende Amtsperiode absolvieren und sich dann aus der Politik zurückziehen werde.
Völlig überraschend signalisierte nun Senator Rob Portman, ein gemäßigter Republikaner aus Ohio, dass seine Partei den Bogen überspannt habe. Die Polarisierung der Nation erschwere politischen Fortschritt, weil „Politiker für kooperative Zusammenarbeit nicht mehr belohnt werden“, stellte er nüchtern fest. Für viele sei es der eigenen Karriere dienlicher, wenn sie „in Talkshows gehen und rohes Fleisch verteilen“, eine Anspielung auf rechtsgerichtete Parteivertreter und Medien, die wie hungrige Löwen jede Lüge und jede Verschwörungstheorie verschlingen.
Portman ist nicht der einzige Republikaner, der aufgibt. Auch Senator Pat Toomey aus Pennsylvania hat angekündigt, in zwei Jahren seinen begehrten Stuhl zu räumen. Dass sie von der Verlogenheit und Dysfunktionalität in der Partei genug haben, ist nachvollziehbar. Schließlich stimmten fast sämtliche ihrer Parteikollegen im Repräsentantenhaus gegen das zweite Impeachment des früheren Präsidenten, obwohl Trump mit hetzerischen Aufforderungen an seine Anhänger den blutigen Aufstand im Kapitol angezettelt hatte.
Auch scheint es mittlerweile kaum denkbar, dass sich im Senat mindestens 17 von 50 Republikanern finden werden, die für eine Verurteilung Trumps notwendig sind, und ihn mit einer getrennten Klausel permanent von der Präsidentschaft sowie sämtlichen Bundesämtern verbannen. Am Dienstag erklärten nach der Eröffnung des Prozesses 45 republikanische Senatoren diesen für verfassungswidrig, weil Trump nicht mehr im Amt sei. Eine Rechtsauffassung, die von den wenigsten Verfassungsrechtlern geteilt wird. Dass der ehemalige Präsident mit den Worten „Ihr müsst kämpfen wie verrückt!“ die Initialzündung für die Unruhen im Parlamentsgebäude gegeben hatte, wollen sie offenbar unter den Teppich kehren.
Nicht gerade hilfreich ist dem Ansehen der Partei ferner, dass einige Abgeordnete mit den Tätern am Tag vor der Rebellion Führungen durch das Kapitol machten und diese sich folglich in den verästelten Gängen des traditionsreichen Parlamentsgebäudes auskannten. Unterstrichen wird der tiefe Spalt innerhalb der Partei auch von Splittergruppen, die sich nach wie vor hartnäckig weigern, die Realität zu akzeptieren. So verglich die Republikanische Partei in Oregon den Aufstand mit dem Reichstagsbrand im Jahr 1933 und behauptete, dass der Aufstand „unter falscher Flagge“ über die Bühne gegangen sei. Demnach seien es in Wirklichkeit Anhänger des neuen Präsidenten Joe Biden gewesen, welche die Gewalt inszenierten, und zwar mit dem Ziel, dessen Macht zu konsolidieren und Trump zu diskreditieren. Auch weigern sich Republikaner in Bay County im Bundesstaat Florida bis heute, den Sieg des Demokraten anzuerkennen, und bezeichnen in offiziellen Dokumenten Biden als den „aufgezwungenen Präsidenten“.
Die tiefe Krise der Partei ebenso wie abtrünnige Senatoren bieten 2022 Demokraten eine Chance, dort ihre dünne Mehrheit auszubauen. Denkbar ist aber auch, dass rechtsgerichtete Populisten Aufwind bekommen und sich um die einflussreichen Posten in der oberen Kongresskammer bewerben.