Die totgeschwiegene US-Schuldenkrise
det Washington – Nach seinem Amtsantritt im Januar 2017 hatte US-Präsident Donald Trump gedacht, er könne die steigenden Staatsschulden binnen kurzer Zeit in den Griff bekommen. Inzwischen ist der Schuldenberg aber weiter gewachsen und könnte als Folge der Hilfspakete zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie schwindelerregende Höhen erreichen.Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat zumindest ein Programm vorgelegt, welches über Steuererhöhungen für Unternehmen sowie wohlhabende Privathaushalte das Loch im Staatshaushalt um 4 Bill. Dollar verringern würde. Trump und die Republikaner hingegen würdigten die Staatsfinanzen bei ihrem Parteikonvent mit keinem Wort.Während Trumps erstem Jahr im Amt machte die Neuverschuldung nach Angaben des unabhängigen Congressional Budget Office (CBO) 3,5 % der Wirtschaftsleistung aus. 2019 stieg die Defizitquote auf 4,6 %, für sich genommen keine beunruhigende Entwicklung, stünde sie nicht in Widerspruch zu den Versprechen des Präsidenten, die Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen. Als Ergebnis der Pandemie werden die Schulden aber 2020 und in den kommenden Jahren neue Dimensionen annehmen. So hat der Kongress nicht weniger als vier Hilfsprogramme verabschiedet, allein im März im Wert von mehr als 2,1 Bill. Dollar. Weitere dürften folgen. Deren Höhe ist aber weiterhin Gegenstand eines bitteren Tauziehens in einem politisch tief gespaltenen Parlament. Auch ohnedies rechnet das CBO dieses Jahr mit einer Neuverschuldung in Höhe von 3,7 Bill. Dollar. Stellt man dies in Relation zu dem annualisierten Bruttoinlandsprodukt (BIP), welches im zweiten Quartal auf 19,4 Bill. Dollar fiel, dann entspräche das einer Defizitquote von 19 %. Dabei hat der Anteil der Gesamtverschuldung an der Wirtschaftsleistung 100 % längst überschritten und ist auf Kurs, 130 % zu erreichen.Während das CBO vor den Folgen warnt, die zumindest in der Theorie mit ausufernden Schulden verbunden sind, etwa die Verdrängung privater Investitionen, steigende Zinsen und fallende Wechselkurse, sehen viele Experten die Lage gelassener. So argumentiert Stephanie Kelton, Wirtschaftsprofessorin an der Stony Brook University, dass Staaten, die ihre eigene Währungen kontrollieren, sich deutlich höhere Defizite leisten können: “Die Annahme, dass Defizite die Zinsen nach oben treiben, ist schlichtweg falsch.”Relativ entspannt schätzen auch der Internationale Währungsfonds (IWF) ebenso wie die US-Notenbank die Lage ein. Beide vertreten die Ansicht, dass ungeachtet der fiskalischen Konsequenzen weitere Ausgabenprogramme notwendig sind, um das Abgleiten in eine Depression zu verhindern. Abgefedert werden potenzielle Folgen zudem durch die von Fed-Präsident Jerome Powell signalisierte Bereitschaft, “das gesamte geldpolitische Instrumentarium der Fed einzusetzen”, um die Konjunktur zu stützen und mit der notwendigen Liquidität zu versorgen.