Die Verantwortung der Fed
Seit fast sieben Jahren steuert die US-Notenbank einen außerordentlich lockeren geldpolitischen Kurs. Die bislang letzte Zinserhöhung war im Juni 2006 – dann ging es nur noch abwärts. Als der zinspolitische Spielraum erschöpft war, erweiterte Fed-Chef Ben Bernanke flugs das geldpolitische Instrumentarium um Anleihekäufe. Weil sich die Konjunktur inzwischen aber gefangen hat, dreht sich die Diskussion. Die Aufmerksamkeit der Märkte gilt dieser Tage nun der Frage, wann genau die Fed unter der Ägide von Bernankes Nachfolgerin Janet Yellen die Zügel wieder straffer ziehen wird.Dass die Währungshüter bei der kommende Woche anstehenden Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) noch auf eine Zinserhöhung verzichten werden, gilt indes als sicher. Unter Ökonomen wird aber nicht mehr ausschließlich darüber debattiert, ob der FOMC nun im September an der Zinsschraube drehen oder doch noch länger warten wird. Vielmehr stellen sie sich inzwischen die Frage, ob dem genauen Zeitpunkt wirklich eine so große Bedeutung beigemessen werden sollte, wie es in manchen Diskussionszirkeln geschieht.Festzuhalten bleibt, dass sowohl unter Bernanke als auch unter Yellen die Fed einen ausgesprochen guten Job getan und fraglos ihr duales Mandat erfüllt hat. Ungeachtet jener Schreckensszenarien, die einige Ökonomen malten, als sich die Notenbank genötigt sah, die quantitative Lockerung gleich dreimal auszuweiten, war doch die Liquiditätsversorgung der weltgrößten Volkswirtschaft stets gesichert und blieben die Inflationsrisiken begrenzt. Zudem ist die Arbeitslosenquote seit Herbst 2009 um fast die Hälfte gesunken. Zuletzt hatte die Zahl der Neueinstellungen selbst optimistische Erwartungen übertroffen. Die Bereitschaft der Banken, den Geldhahn – wenn auch nach deutlich strikteren Vorgaben – wieder aufzudrehen, hat obendrein den Häusermarkt beflügelt. Verbraucher sind vorsichtig optimistisch und haben zudem aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Anstatt ihre Kreditkarten bis ans Limit zu belasten, legen sie mehr Geld auf die hohe Kante und tragen ihre Schulden ab.Dass die Defizitquote, die zum Tiefpunkt der Rezession bei 9 % lag, nun wieder auf Vorkrisenniveau gesunken ist, gibt dem Staat außerdem den notwendigen fiskalpolitischen Spielraum, um im Bedarfsfall neue Ausgabenprogramme zu beschließen. Ferner halten niedrige Ölpreise sowie der starke Dollar die Inflation in Schach. Unterm Strich präsentiert sich die weltgrößte Volkswirtschaft also in robuster Verfassung und dürfte mit einer Wachstumsrate von gut 3 % das Zugpferd unter den Industrienationen bleiben.Zwar vertritt der Internationale Währungsfonds (IWF) den Standpunkt, dass vor diesem insgesamt stabilen Hintergrund das exakte Timing der zinspolitischen Wende kritisch ist. Zieht die Fed die Zügel zu früh straffer, dann könnte sie den Aufschwung wieder abwürgen, wird gewarnt. Wartet sie zu lange, könnte das Inflationsziel von 2 % zu schnell übertroffen werden und die Notenbank unter Zugzwang kommen. Und wird ein falscher Zeitpunkt gewählt, könnten die Währungshüter obendrein Marktturbulenzen auslösen.Völlig zu Recht weisen einige Analysten darauf hin, dass die Aufregung darüber, ob der FOMC bereits im September an der Zinsschraube dreht, bis kurz vor Weihnachten wartet oder erst 2016 den Leitzins erhöht, übersteigert ist. Man müsse nur die historischen Daten betrachten. So beweisen die Zyklen der vergangenen 50 Jahre, dass es nach einer Zinswende immer mehrere Jahre gedauert hat, bis eine Aktienhausse endete und sich auch das Wirtschaftswachstum wieder verlangsamte. Käme es also zu temporären Unruhen an den Finanzmärkten, wären diese eher psychologischer Natur und vorübergehend, argumentieren sie.Hinzu kommt, dass die noch größere Transparenz der Fed, die zu den Markenzeichen der noch jungen “Ära Yellen” zählt, die Märkte unabhängig vom Zeitpunkt schon gut auf das ihnen Bevorstehende vorbereiten wird. Ungeachtet der konjunkturellen Erholung hat Yellen obendrein bei jeder erdenklichen Gelegenheit durchblicken lassen, dass aus ihrer Sicht die qualitativen Aspekte der Erholung am Jobmarkt noch nicht ausreichen für einen Kurswechsel. Die sinkende Arbeitslosenquote allein ist für sie also noch längst kein Anlass für große Zinssprünge. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass Yellen noch mindestens bis 2018 im Amt bleiben wird, erscheinen daher Debatten über den Zeitpunkt der Zinswende müßig, zumal sich die Fed ihrer Verantwortung durchaus bewusst zu sein scheint.——–Von Peter De ThierDie US-Konjunktur hat sich wieder gefangen, weshalb Ökonomen zunehmend nervös über etwaige Zeitpunkte der Zinswende spekulieren. Sie sollten gelassener sein.——-