WIE GEHT ES WEITER MIT DER DEUTSCHEN KONJUNKTUR?

Die Wachstumsstützen

Geld- und Fiskalpolitik entschiedener als 2008 - Fokus auf Konsum und Export

Die Wachstumsstützen

ba Frankfurt – Was bremst, treibt auch wieder an, könnte man salopp formulieren, um zu zeigen, was der Wirtschaft nach dem Abebben der ersten Phase der Corona-Infektionen wieder auf die Sprünge helfen könnte. Angebotsseitig haben die unterbrochenen Lieferketten mit dazu beigetragen, dass Fabriken die Produktion eingestellt haben. Durch den Lockdown waren auch Handel und Dienstleister schlicht lahmgelegt. Nachfrageseitig führte die Unsicherheit zu geringerem Konsum und Investitionen. Seit Mai nun deuten die Konjunkturindikatoren sämtlich ein relativ flottes Ende der tiefsten Rezession der Nachkriegszeit an – was nicht zuletzt an der entschiedenen, vom Umfang her nie dagewesenen Reaktion der Fiskal- und Geldpolitik liegt. Billionen gegen den EinbruchSie haben schneller als in der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise reagiert und tun alles, um die Erholung zu unterstützen und eine Verschärfung der Finanzierungskonditionen zu verhindern – nicht nur hierzulande. Dies ist insbesondere für eine offene Volkswirtschaft wie die deutsche wichtig. Nur wenn es den wichtigsten Handelspartnern gut geht, belebt sich das Exportgeschäft. So hat die Europäische Zentralbank zusätzlich zu ihrer sehr expansiven Geldpolitik ein besonders flexibles Anleihekaufprogramm (PEPP) im Volumen von 1,35 Bill. Euro aufgelegt, das bis mindestens Ende Juni 2021 laufen soll. Eine Anhebung der Null- und Negativzinsen erfahren Ökonomen auf Jahre hinaus nicht.Die EU-Kommission und die Staats- und Regierungschefs der EU wollen mit dem Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Mrd. Euro insbesondere den am stärksten betroffenen EU-Ländern wie Italien und Spanien mit Zuschüssen und niedrig verzinsten Krediten helfen. Die wirtschaftliche Erholung dürfte damit ab 2021 merklich unterstützt werden. Das EU-Parlament muss allerdings noch zustimmen, weshalb etwa der Industrieverband BDI Druck macht. Und auch einige EU-Mitgliedstaaten müssen das Paket noch absegnen.Während mit Italien und Spanien zwei der deutschen Top-6-Handelspartner – gemessen am Außenhandelssaldo – das meiste Geld bekommen werden, sind laut Berechnungen der DZ Bank relativ zur Wirtschaftsleistung Osteuropa und die Südländer die großen Profiteure, allen voran Kroatien, Bulgarien, Griechenland, Lettland und die Slowakei. Mit dem Programm “Sure” stellt die EU-Kommission den Mitgliedstaaten 100 Mrd. Euro zur Finanzierung von Kurzarbeit bereit.Die Bundesregierung hat gleichfalls ein Maßnahmenpaket historischen Ausmaßes geschnürt: Der Umfang der haushaltswirksamen Maßnahmen beträgt insgesamt 353,3 Mrd. Euro, der Umfang der Garantien insgesamt 819,7 Mrd. Euro. Zur Finanzierung will der Bund neue Kredite von rund 156 Mrd. Euro aufnehmen. Die Ökonomen der Bundesbank beziffern den Effekt des Konjunkturpakets auf 1 Prozentpunkt des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für 2020, die Nachwirkungen der Rezession dürften aber 2021 anhalten. Kleine Betriebe, Selbständige und Freiberufler erhalten Zuschüsse etwa für Miet- und Pachtkosten. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) im Gesamtvolumen von 600 Mrd. Euro sorgt für großvolumige staatliche Stützungsmaßnahmen wie Kreditgarantien und Stärkungen des Eigenkapitals – womit sich der Staat, wenn nötig (wie im Fall der Lufthansa), direkt an Unternehmen beteiligen kann. Ökonomen wie auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann betonen aber, dass die Staatsbeteiligung stets nur vorübergehend sein dürfe.Zudem gibt es steuerliche Erleichterungen – unter anderem die bis Jahresende von 19 auf 16 % bzw. beim reduzierten Satz von 7 auf 5 % gesenkte Mehrwertsteuer. Die Mehrwertsteuersenkung allein wird laut Ifo-Institut der Wirtschaftsleistung einen Schub von 0,2 Punkten bringen. Den Wirtschaftsweisen zufolge wird es auf jeden Fall zu positiven Impulsen kommen, egal ob der temporär niedrigere Steuersatz an die Kunden weitergegeben wird oder nicht. Mittels des erleichterten Zugangs zum Kurzarbeitergeld werden Jobs erhalten.Die beiden letztgenannten Faktoren stützen ebenso wie der beschlossene Kinderbonus den Konsum der privaten Haushalte, der in der Vergangenheit zuverlässige Wachstumsstütze war – neben den Exporten. Ungetrübt ist das Shoppingerlebnis wegen Maskenpflicht und Zutrittsbeschränkungen zwar nach wie vor nicht. Der Einzelhandel insgesamt hat den coronabedingten Umsatzeinbruch aber bereits aufgeholt. Allerdings war dabei der größte Profiteur der Lebensmitteleinzelhandel sowie der Internethandel, während Teile des stationären Handels weiter leiden. So liegt das aktuelle GfK-Konsumklima mit – 9,6 Zählern noch auf dem drittniedrigsten jemals gemessenen Stand. Das von der EU-Kommission erhobene Konsumklima für Deutschland zeigt ebenfalls Fortschritte, allerdings noch keine richtig gute Konsumlaune. Den Nürnberger Konsumforschern der GfK zufolge ist die Sparquote, die während des Lockdown sprunghaft gestiegen ist, mittlerweile wieder rückläufig. Ökonomen erwarten, dass sie im Jahresdurchschnitt um 4 Punkte auf 15 % anzieht und die Konsumausgaben entsprechend noch weiter schrumpfen werden.Und auch der Blick nach China, wo die Pandemie ihren Ausgang genommen hat, aber bislang erfolgreich zurückgedrängt wurde, ist ermutigend: Die Preisdaten zeugen ebenso wie die Pkw-Zulassungszahlen von einer sich erholenden Wirtschaft. Auch der Außenhandel lebt auf: Die Ausfuhren nach China zogen im Juni um 15,4 % zum Vorjahresmonat an. Das Reich der Mitte ist der mit Abstand wichtigste Einzelmarkt der deutschen Autokonzerne – und drauf und dran, die USA auch insgesamt als wichtigstes Zielland deutscher Exporteure abzulösen.