70 JAHRE WÄHRUNGSREFORM UND SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT

Die Währungsreform und die Marktwirtschaft

Wie 1948 zum Wirtschaftswunder beigetragen hat

Die Währungsreform und die Marktwirtschaft

Von Mark Schrörs, Frankfurt “Mit Wirkung vom 21. Juni 1948 gilt die Deutsche-Mark-Währung. Ihre Rechnungseinheit bildet die Deutsche Mark, die in hundert Deutsche Pfennig eingeteilt ist.” So technisch-nüchtern ist im Währungsgesetz vom 20. Juni 1948 formuliert, was zweifelsohne als eine der bedeutendsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen der deutschen Nachkriegsgeschichte zu betrachten ist: die Währungsreform 1948. Sie begründete nicht nur den Mythos D-Mark, sondern markiert für viele auch den Beginn des deutschen “Wirtschaftswunders”. Zugleich gilt sie quasi als Geburtsstunde der Sozialen Marktwirtschaft.Wenngleich 1948 viele Kriegstrümmer bereits beseitigt waren, lag die deutsche Wirtschaft noch immer am Boden und die Währung war völlig zerrüttet. Der Geldüberhang war gewaltig: Allein der Bargeldumlauf des Deutschen Reichs hatte sich während des Kriegs von 11 Mrd. Reichsmark auf 73 Mrd. Reichsmark erhöht. Die Bürger lehnten die Reichsmark immer stärker ab, der Schwarzmarkt blühte, genau wie der Tausch von Naturalien. “Operation Bird Dog”In dem Umfeld entschieden sich die westlichen Alliierten, in den drei westlichen Besatzungszonen die Reichsmark durch die D-Mark zu ersetzen. Sie setzten sich dabei teils über Bedenken deutscher Experten hinweg. Die neuen Banknoten wurden in den USA gedruckt und im Zuge der “Operation Bird Dog” über Bremerhaven durch das zerstörte Deutschland nach Frankfurt transportiert. Von dort aus wurden die rund 1 100 Tonnen neuer Geldscheine in 23 000 Holzkisten in der späteren Bundesrepublik verteilt.Zwar war nicht jeder Bürger sogleich Feuer und Flamme für die D-Mark. Dazu trugen anfängliche starke Preissteigerungen ebenso bei wie die Tatsache, dass viele kleine Sparer weitgehend enteignet wurden. Denn für größere Reichsmarkguthaben wurde letztlich ein Umtauschverhältnis von 10:0,65 festgelegt. Die Bürger entdeckten aber sehr schnell ihre Liebe zur D-Mark, nicht zuletzt, weil quasi über Nacht viele Lebensmittel und Güter zu haben waren, die lange nicht in den Schaufenstern zu sehen gewesen waren. Es spielte aber wohl auch ein psychologischer Effekt eine Rolle. “Nach dem totalen Zusammenbruch 1945 haben sich viele Deutsche ihrer Herkunft und Geschichte geschämt. Das Land lag in Trümmern. Die D-Mark ist in dieses Vakuum gestoßen”, erinnerte sich der frühere Chefvolkswirt von Bundesbank und Europäischer Zentralbank (EZB), Otmar Issing, einmal: “Dadurch ist auch die einzigartige Affinität der Deutschen zu ihrer Währung entstanden.” Diese Liebe war und ist bis heute teils ein Problem für den Euro und die EZB im Ringen um die Anerkennung der Deutschen.Entscheidend für den Erfolg war aber nicht allein die Währungsreform. Nahezu zeitgleich setzte der spätere Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard, der zu der Zeit Direktor der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes war, handstreichartig eine weitgehende Lockerung des staatlich kontrollierten Bewirtschaftungssystems und die Aufhebung der Preiskontrollen durch. Dadurch wurden die Anreize für Produktion, Verkauf und Geldverdienen wieder hergestellt. Die Währungs- und Wirtschaftsreform konnte so zu einer Art “Katalysator” für das Wirtschaftswunder werden.Damit war quasi das Fundament für eine neue Wirtschaftsordnung und die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft gelegt. Das grundlegende Prinzip dieses gesellschafts- und wirtschaftspolitische Leitbilds ist es, wirtschaftliche Freiheit mit sozialem Ausgleich zu verbinden. Im Kern soll der Staat zuvorderst einen freien und fairen Wettbewerb gewährleisten und zugleich für alle Bürger eine würdige Existenz sichern und für Chancengerechtigkeit sorgen.”Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein, sorge du, Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin”, sagte Erhard selbst einmal. Für seine Ideen stand er anfänglich schwer unter Beschuss. Das Wirtschaftswachstum schien seinen Kurs dann aber zu bestätigen, und über die Jahrzehnte wuchs der Rückhalt für die Soziale Marktwirtschaft. Wie genau der Begriff heute interpretiert werden sollte und wie sehr er gelebt wird, ist aber mitunter heftig umstritten – bis hinein in die Diskussion um die Reform der Eurozone.