Dienstleister treiben Euro-Wirtschaft noch an
Euro-Wirtschaft verliert Dynamik
Einkaufsmanagerindex gibt leicht nach – Industrie schwächelt, Dienstleister expandieren kräftig
ba Frankfurt
Die Euro-Wirtschaft hat im Mai einen Gang heruntergeschaltet. Noch gleichen die Dienstleister, beflügelt vom Nach-Corona-Boom, die schwächeren Geschäfte der Industrie aus. Teilkomponenten des Einkaufsmanagerindex verstärken allerdings die wieder einsetzenden Konjunktursorgen.
Die Euro-Wirtschaft ist im Mai etwas weniger dynamisch auf ihrem Wachstumskurs unterwegs. Der von S&P Global erhobene Einkaufsmanagerindex (PMI) zeigt den fünften Monat in Folge Expansion an, allerdings verbirgt sich dahinter eine Zweiteilung zwischen der immer mehr schwächelnden Industrie und den weiter von Corona-Nachholeffekten profitierenden Dienstleistern. Am stärksten zeigt sich diese Divergenz in Deutschland. Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte vor allem auf die steigenden Einkaufs- und Verkaufspreise bei den Dienstleistern schauen, die für die Entwicklung der Kernrate eine große Rolle spielen – womit die Wahrscheinlichkeit weiterer oder kräftigerer Zinserhöhungen steigt, wie es bei S&P Global hieß. Die seit der Zinswende im Sommer 2022 um beispiellose 375 Basispunkte gestiegenen Zinsen wiederum dürften die Binnennachfrage im weiteren Jahresverlauf bremsen.
Der Industrie und Dienstleister zusammenfassende PMI Composite gab im Mai um 0,8 auf 53,3 Punkte nach. Ökonomen hatten zwar mit einem Minus gerechnet, aber nur auf einen Wert von 53,5 Zählern. Das an den Märkten stark beobachtete Stimmungsbarometer liegt damit weiter über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Die PMI-Erstschätzung zeige „ein insgesamt sehr freundliches Bild einer sich weiter erholenden Konjunktur“, resümierte Cyrus de la Rubia, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank (HCOB). Ein genauerer Blick offenbare aber, dass das Wachstum sehr ungleich verteilt sei. So habe sich etwa „die Schere zwischen dem teilweise boomenden Dienstleistungssektor auf der einen Seite und dem schwächelnden verarbeitenden Gewerbe auf der anderen Seite weiter aufgetan“. Bemerkenswert findet der HCOB-Chefvolkswirt zudem den scharfen Produktionsrückgang in der Industrie Frankreichs, „während dieser Sektor in Deutschland immerhin noch leicht expandiert“.
Das Stimmungsbarometer für den Dienstleistungssektor hat zwar um 0,3 auf „immer noch hohe“ 55,9 Punkte nachgegeben, doch sei die Wirtschaft in der Vergangenheit bei einem solchen Wert kräftig gewachsen, sagte Commerzbank-Ökonom Christoph Weil. „Auf Dauer wird der Sektor aber die sich anbahnende Rezession in der Industrie kaum ausgleichen können“, mahnte der Volkswirt zugleich. Der Indikator für die Industrie ist um 1,2 auf 44,6 Punkte gerutscht und liegt damit noch weiter im rezessiven Bereich. Jörg Angelé, Senior Economist beim Assetmanager Bantleon, verweist zudem darauf, dass sich die Lage in der Industrie trotz des massiven Rückgangs der Energiepreise seit dem letzten Herbst nicht verbessert habe – „im Gegenteil“. Im Mai waren es auch nicht die sich entspannenden Lieferketten, die invers in die PMI-Berechnung einfließen, die zu dem Minus geführt haben, sondern eine rückläufige Produktion und ein erheblich schwächerer Auftragseingang insbesondere aus dem Ausland. „Aufträge und Produktion liegen im Mai damit auf einem Niveau, das in der Vergangenheit nur während Abschwungs- bzw. Rezessionsphasen erreicht wurde“, betonte Angelé. Die immer noch erhöhten Energiekosten, die steigenden Zinsen und höheren Lohnkosten dürften die Investitionen im weiteren Jahresverlauf bremsen.
Wachstumslok Deutschland
Auf Länderebene erwies sich Deutschland als Wachstumslokomotive, „allerdings einzig und allein dank des Servicesektors“, wie es bei S&P Global hieß. Der PMI Composite legte um 0,1 auf 54,3 Punkte zu und signalisiert laut S&P Global mit dem höchsten Wert seit über einem Jahr das vierte Wachstum in Folge. Für Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, bleibt Deutschland aber das Sorgenkind im gemeinsamen Währungsraum: „Die industrielastige deutsche Wirtschaft leidet unter den globalen Unsicherheiten besonders stark, und die privaten Haushalte des Landes sparen am inländischen Konsum und geben stattdessen über den Sommer hinweg ihr Geld im Süden aus.“ Die Urlaubsdomizile rings um das Mittelmeer seien in der bevorstehenden Sommersaison gut gebucht, gute Geschäfte für Hotels, Restaurants und Souvenirläden entlang des Mittelmeers garantiert. Mit der boomenden Nachfrage siegt laut S&P Global auch die Preismacht der Dienstleister – die Industrie musste zunehmend Preisnachlässe gewähren, um den Absatz anzukurbeln.