GELDPOLITISCHE ENTSCHEIDUNGEN - IM INTERVIEW: WILLIAM WHITE

"Diese Politik könnte mehr schaden als nützen"

Der Ex-BIZ-Chefvolkswirt über die Lockerungswelle

"Diese Politik könnte mehr schaden als nützen"

Herr White, weltweit steuern die Zentralbanken wieder in Richtung expansiverer Geldpolitik. Ist das angemessen oder reagieren die Zentralbanken über?Es gibt klare Anzeichen für eine Abschwächung der Weltwirtschaft. Die Zentralbanken erkennen an, dass es einige Zeit dauert, bis eine lockere Politik durchwirkt und die Wirtschaft ankurbelt, und sie lockern präventiv, um die Beschäftigung zu fördern und eine exzessive Disinflation zu vermeiden. Nachdem sie dafür kritisiert wurden, die letzte Rezession nicht vorhergesagt und verhindert zu haben, wollen sie nun nicht die gleiche Kritik auf sich ziehen. Kann die Geldpolitik noch positive Impulse für die Realwirtschaft setzen oder säen die Zentralbanken nur die Saat für die nächste Krise?In der Geldpolitik herrscht seit Jahrzehnten eine grundsätzliche zeitliche Inkonsistenz. Konjunkturelle Abkühlungen oder absehbare Abkühlungen haben seit Ende der 1980er-Jahre zu einer Lockerung der Geldpolitik geführt. Während das anfänglich die Gesamtnachfrage wie gewünscht stimuliert hatte, förderte es auch einen höheren Schuldenstand und hinterließ das Finanzsystem weniger stabil, als es sonst der Fall gewesen wäre. Das impliziert, dass die Wirksamkeit der geldpolitischen Lockerung im Laufe der Zeit abgenommen hat. Jetzt den Einsatz zu verdoppeln könnte mehr schaden als nützen. Droht jetzt ein Währungskrieg?Wir befinden uns seit Ewigkeiten im Währungskrieg. Als die Federal Reserve in der letzten Rezession ihre Politik lockerte, wertete der Dollar ab und andere Währungen auf. Andere Zentralbanken, die ebenfalls mit steigender Arbeitslosigkeit konfrontiert waren, widerstanden dieser Stärke durch eine eigene Lockerung oder massive Deviseninterventionen. Infolgedessen haben die Zentralbanken nun beispiellose Staatsschulden finanziert, die von ihrer eigenen oder einer anderen Regierung ausgegeben wurden. Sind die Zentralbanken zu fixiert auf das weitverbreitete Punktziel von 2 % für die Inflation? Braucht es ein Umdenken der geldpolitischen Ziele und Rahmenwerke?Die ursprüngliche Sorge in Sachen Inflation bestand darin, einer hohen und sich beschleunigenden Inflation zu widerstehen. Wenn die Inflation jetzt zu niedrig ist, löst dies eine massive geldpolitische Reaktion aus. Dies ist sehr merkwürdig, insbesondere wenn der Inflationsrückgang auf positive Entwicklungen auf der Angebotsseite zurückzuführen ist. Bei der Neubewertung des Rahmens sollten sich die Zentralbanken viel stärker auf ihren eigenen Beitrag zum Boom-Bust-Kreditzyklus konzentrieren. Ist eine engere Kooperation von Geld- und Fiskalpolitik nötig?Wenn zur wirksamen Bekämpfung des nächsten Abschwungs nicht auf eine lockerere Geldpolitik vertraut werden kann, muss die Finanzpolitik stärker in den Vordergrund gerückt werden. Die meisten Länder haben weiterhin einen gewissen Handlungsspielraum, bevor die Märkte keine Finanzierung mehr bereitstellen. Unter der Annahme, dass das nachhaltige Wachstum dann wieder aufgenommen wird, muss die Geldpolitik schließlich neu normalisiert werden, um weitere unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden. Darüber hinaus sollte die Wiederherstellung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen anschließend energisch vorangetrieben werden. Es ist nicht zu erwarten, dass die Geduld des Markts für immer anhält. Die Fragen stellte Mark Schrörs.