Disney fällt in Chollywood durch
China ist auf dem besten Wege, die USA als weltgrößter Kinomarkt zu überholen. Angesichts der gegenwärtigen Misere mit Corona-Restriktionen blickt man auch in Hollywood ein wenig eifersüchtig auf das Reich der Mitte. Dort erlaubt die weitgehende Überwindung der Corona-Pandemie sprudelnde Kinokasseneinnahmen. Zum einen weil es mittlerweile wieder erlaubt ist, die Säle zu 75 % ihrer Sitzplatzkapazität zu füllen. Zum anderen weil sich Chinesen als brave Anwender von Gesichtsmasken von den Sicherheitsverordnungen wenig stören lassen und eine Mund-Nase-Verhüllung nicht als Kompromittierung ihres Kinoerlebnisses wahrnehmen. Das gilt sogar für verliebte Pärchen. Asiatische Anstandsregeln verhindern es ohnehin, dass Kinosessel als Knutschbank herhalten. *Der nicht nur mit seinen Disney-Themenparks, sondern auch im Filmgewerbe nach China-Geschäft lechzende Unterhaltungskonzern Walt Disney Co. hat sich ein probates Filmprojekt ausgedacht, um mit einem potenziellen Kassenschlager auf den beiden weltgrößten Filmmärkten richtig abzusahnen. Dabei wurde die im Volksmund gerne als Chollywood bezeichnete chinesische Filmproduktionsszene eng mit eingebunden, um ein Remake des einst äußerst erfolgreichen Disney-Zeichentrickfilms Mulan mit Lebenddarstellern auf die Leinwand zu bringen.Und hier das Patentrezept für den multikulturellen Welterfolg: Man nehme einen historischen Heldenstoff aus der chinesischen Sagenwelt, bei dem ganz neuzeitgemäß eine weibliche Figur namens Mulan in der Hauptrolle steht, und verpacke das Ganze als actionreichen Fantasyfilm mit einem Schuss an spirituellem chinesischem Kulturhintergrund bei gleichzeitiger Wahrung von amerikanischem Kitsch. Für Authentizität verbürgt sich eine chinesische Hauptdarstellerin und auch ansonsten rein asiatische Schauspieler-Crew. Dann werden noch 200 Mill. Dollar an Budget reingebuttert, um bei Actionszenen und Stunts auf dem letzten Stand der Technik zu sein.Was soll beim Publikumsfang in den beiden weltgrößten Volkswirtschaften jetzt noch schiefgehen können? Nun, zum Beispiel, dass die beiden Weltmächte sich unter der Regie von US-Präsident Donald Trump so spinnefeind geworden sind, dass es praktisch unmöglich geworden ist, sich mit einem amerikanisch-chinesischen Filmprojekt nicht ungewollt politisch in die Nesseln zu setzen. *Disney wird im US-Markt ausgerechnet der billigste Teil eines Films, nämlich der Abspann, zum Verhängnis. Als politischer Hingucker erweist sich dabei eine auf den ersten Blick eher harmlose, und bei Filmprojekten gängige, Danksagung an die Verantwortlichen der Provinz Xinjiang, in deren imposanter Landschaftskulisse Teile des Films abgedreht wurden. Xinjiang aber ist anders als zu Drehbeginn des Films mittlerweile ein politisches Reizwort: Es geht um vermutete Menschenrechtsverletzungen im Umgang mit der muslimisch geprägten ethnischen Minderheit der Uiguren und deren Internierung in Einrichtungen, die von Chinas Obrigkeit als “freiwillige Erziehungs- und Ausbildungszentren” bezeichnet werden.Den Dank an die Lokalregierung in Xinjiang hat der republikanische Senator und Trump-Freund Tom Cotton in einer Twitter-Botschaft folgendermaßen gegeißelt: “Disney ist süchtig nach chinesischem Geld und zu praktisch allem bereit, um der Kommunistischen Partei zu Gefallen zu sein.” Zuvor bereits ist die Mulan-Darstellerin Liu Yifei in Misskredit beim westlichen Publikum geraten, weil sie das harte Vorgehen der Hongkonger Polizei gegen Demokratiebefürworter beklatschte. Solche Äußerungen gehören freilich für die Weiterführung einer heimischen Filmkarriere zum staatlich gewünschten guten Ton.Bleibt noch die Frage, wie der Film vom fleißig Disney-umworbenen chinesischen Publikum aufgenommen wurde. Auf der Online-Filmrating-Plattform Douban erhält der Streifen vernichtende Kritik für pseudochinesisches Kulturgeschwurbel und auf der Zehnerskala die Note 4,5. Das heißt in jedem Fall “durchgefallen”.