DIW-Chef warnt vor dauerhaften Corona-Schäden
Mark Schrörs.
Herr Professor Fratzscher, wie viel Lockdown kann die deutsche Wirtschaft noch vertragen, bevor sie in eine erneute tiefe Rezession stürzt oder irreparablen Schaden nimmt – etwa in Form einer strukturell höheren Arbeitslosigkeit?
Die deutsche Wirtschaft dürfte im ersten Quartal um mindestens 3% schrumpfen. Ich befürchte, viele Prognosen für das gesamte Jahr 2021 sind noch immer zu optimistisch und realisieren nicht, dass die Wirtschaft den größten Teil dieses Jahres mit Restriktionen wird leben müssen. Meine viel größere Sorge ist aber der langfristige Schaden, der durch einen Anstieg von Unternehmensinsolvenzen und Arbeitslosigkeit entstehen wird. Die zweite Infektionswelle jetzt zerstört sehr viel mehr wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als die erste Welle.
Tut die Bundesregierung genug und das Richtige, um den wirtschaftlichen Schaden zu minimieren, oder sollte sie fiskalisch nachlegen und andere Prioritäten setzen?
Es gibt fast kein Land in der Welt, das größere Wirtschaftshilfen und Konjunkturprogramme hat als Deutschland. Zu einer ehrlichen Debatte gehört das Eingeständnis, dass der Staat nicht alle Unternehmen retten und jeden ökonomischen Schaden kompensieren kann. Die Regierung sollte frühzeitig wirtschaftliche Hilfen ausbauen und verlängern, um Unternehmen eine Perspektive anzubieten. Und sie sollte bald ein langfristiges Investitionsprogramm auflegen, so dass der Strukturwandel in Bezug auf Klimaschutz, Digitalisierung und Innovation gelingt.
Wie lassen sich die Kosten der Coronakrise dauerhaft tragen und fair verteilen?
Der Anstieg der Staatsverschuldung sollte unsere geringste Sorge sein. Ein starkes Wachstum ist der beste Weg, um Schulden wieder abzubauen. Deutschland wird als Wirtschaftsstandort aber nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn Wirtschaft und Staat massive private und öffentliche Investitionen tätigen, um den Strukturwandel erfolgreich zu bewältigen. Diese Investitionsoffensive wird, inmitten der demografischen Alterung, jedoch ohne grundlegende Steuerreformen oder, alternativ, einen weiteren Anstieg der Staatsverschuldung nicht finanzierbar sein.
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