DIW: Geplante Kindergrundsicherung reicht nicht
Kindergrundsicherung von 2 Mrd. Euro reicht nicht aus
DIW: Mindestens 4,2 Mrd. Euro pro Jahr nötig – Folgekosten von Kinderarmut sehr viel höher
ast Frankfurt
Inmitten der kontroversen Diskussion über Einführung und Ausgestaltung der von der Bundesregierung angestrebten sogenannten Kindergrundsicherung hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin eine Studie vorgestellt, die jährliche Mehrausgaben in Höhe von fast 4,3 Mrd. Euro bei maximaler Entlastung der am stärksten von Armut betroffenen Haushalte prognostiziert. Am Freitag legte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) zudem ihren Gesetzentwurf vor.
Die von der Diakonie in Auftrag gegebene DIW-Studie kommt zu dem Schluss, dass durch zusätzliche Transfers von 100 Euro der Anteil armutsbetroffener Haushalte am stärksten reduziert werden könnte. Vor allem Alleinerziehende und Kinderreiche (mit mehr als drei Kindern) dürften den untersuchten Szenarien zufolge profitieren. Dafür allerdings wären auf Grundlage des Jahres 2019 Mehrausgaben aus dem Haushalt in Höhe von 4,26 Mrd. Euro im Jahr notwendig.
Die geplante Kindergrundsicherung sei sinnvoll und habe ökonomische Vorteile, weil die Folgekosten sonst wesentlich höher wären, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher bei der Vorstellung der Studie. "Die besten Investitionen, die ein Staat tätigen kann, ist in seine Menschen. Das gilt für niemanden mehr als für Kinder und Jugendliche, die in Armut leben, von Armut bedroht sind." Laut Studie dürfen die Politikmaßnahmen zur Bekämpfung von Kinderarmut nicht nur an ihren direkten fiskalischen Kosten gemessen werden. "Vielmehr müssen auch die Folgekosten unterlassener Bekämpfung in der Abwägung über politische Maßnahmen einberechnet werden", schreiben die Studienautoren. Zwar sei die genaue Quantifizierung von Kinderarmut schwer zu berechnen, doch das DIW schätzt diese auf mehr als 100 Mrd. Euro pro Jahr. Allein die Kosten in Zusammenhang mit Übergewicht, dessen Risiko mit Kinderarmut steigt, lagen einer weiteren Studie zufolge bei mehr als 60 Mrd. Euro im Jahr 2016.
Scholz: Auf einem guten Weg
Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 das Kindergeld ablösen. Einerseits soll eine höhere Inanspruchnahme der aktuell bestehenden sozialen und familienpolitischen Leistungen erreicht werden. Andererseits ist das Ziel eine Anpassung des Grundbedarfs. Die Studie könnte die Debatte befeuern. Denn derzeit hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nur einen Merkposten in Höhe von 2 Mrd. Euro im Haushalt vorgesehen. Paus hatte zunächst von 12 Mrd. Euro Bedarf gesprochen, war zuletzt aber auf bis zu 7 Mrd. Euro zurückgegangen.
Trotz des jüngsten Eklats im Kabinett, als Paus das Wachstumschancengesetz blockierte, zeigte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) optimistisch. "Ich habe sehr dafür gesorgt, dass es einen großen Fortschritt gibt", sagte er am Freitag. "Wir sind mit 99% – vielleicht sind es nur 98 – fertig. Den Rest schaffen wir auch noch."
