Draghi beerdigt Zinsspekulationen

Notenbankchef untermauert Erwartung lange niedriger Schlüsselsätze - Erste Debatte über QE-Zukunft

Draghi beerdigt Zinsspekulationen

Die EZB steckt in einem Dilemma: Die Euro-Wirtschaft steht bestens da, aber die Inflation kommt nicht in Fahrt. Jetzt spielt sie vorerst auf Zeit. Im Oktober sollen aber Entscheidungen her.ms Frankfurt – EZB-Präsident Mario Draghi hat klargemacht, dass Zinserhöhungen im Euroraum noch für lange Zeit nicht auf der Agenda stehen. Nach der Sitzung des EZB-Rats gestern wiederholte Draghi mehrfach den Zinsausblick der Europäischen Zentralbank (EZB), nach dem die Leitzinsen noch “für längere Zeit und weit über den Zeithorizont unseres Nettoerwerbs von Vermögenswerten hinaus” auf ihrem aktuellen Niveau bleiben. Der Leitzins liegt bei 0 %, der Einlagensatz bei – 0,4 %.Draghi betonte zudem, dass der EZB-Rat bei einem möglichen künftigen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik an dem kommunizierten Plan festhalte, erst die Wertpapierkäufe (Quantitative Easing, QE) zu beenden und erst danach Zinserhöhungen zu erwägen. Dieses “Sequencing” stehe nicht zur Disposition.Mit der zunehmenden Diskussion über einen bevorstehenden Einstieg in den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik im Euroraum waren auch Spekulationen und Forderungen aufgekommen, die EZB könne und solle zumindest den negativen Einlagensatz schon vor einem Ende von QE anheben. Nicht zuletzt prominente Banker in Deutschland erneuerten jüngst diese Forderung.Manche Beobachter erwarten dagegen, dass die EZB dann, wenn sie QE im nächsten Jahr reduzieren und womöglich komplett beenden sollte, im Gegenzug einen stärkeren Fokus darauf legen könnte zu versichern, dass die Zinsen noch lange nicht steigen – um so die Finanzierungsbedingungen im Euroraum nicht allzu stark ansteigen zu lassen.Draghi berichtete gestern, dass der EZB-Rat eine erste “sehr vorläufige” Diskussion über die Zukunft von QE im Jahr 2018 geführt habe. Aktuell enden die Käufe von vor allem Staatsanleihen im momentanen Umfang von 60 Mrd. Euro pro Monat Ende 2017. Ein abruptes Ende hat die EZB stets ausgeschlossen. Die große Frage ist aber, für wie lange und in welchem Volumen sie weiterkauft.Laut Draghi wurden gestern verschiedene Szenarien diskutiert, was die Länge und das Volumen von QE betreffe. An den Märkten ist eine verbreitete Erwartung, dass die Käufe ab Januar 2018 von 60 Mrd. auf 40 Mrd. Euro reduziert werden, für weitere drei bis sechs Monate – oder ohne explizites Enddatum. Die EZB könnte das Volumen aber auch stärker reduzieren und QE dafür für einen längeren Zeitraum verlängern.Diese Option könnte auch gegen das Problem helfen, dass der EZB etwa bei Bundesanleihen bald die kauffähigen Papiere auszugehen drohen. Grund dafür sind selbst gesetzte Beschränkungen wie etwa die Vorgabe, nicht mehr als 33 % einer Anleihe oder eines Emittenten zu kaufen. Zuletzt gab es Diskussionen, dass die EZB diese Grenze anheben könnte. Draghi betonte aber, dass das kein Thema gewesen sei. Die Grenze gilt zumal als Absicherung gegen eine verbotene Staatsfinanzierung.Eine andere Beschränkung ist die Aufteilung der QE-Käufe auf die Euro-Länder anhand des EZB-Kapitalschlüssels – was den geldpolitischen Charakter unterstreichen soll. Draghi spielte in dem Kontext die Tatsache herunter, dass in den vergangenen Monaten weniger deutsche und mehr italienische und französische Titel gekauft worden seien. Auf Monatssicht habe es immer eine gewisse Flexibilität gegeben. Eine Ausweitung von QE auf andere Assetklassen wie Aktien sei nicht diskutiert worden.Laut Draghi will der EZB-Rat den “Großteil der Entscheidungen” über QE im Jahr 2018 bei der nächsten Sitzung am 26. Oktober treffen und nicht erst im Dezember. Die jüngste Euro-Aufwertung erschwert diese Aufgabe aber. Draghi stemmte sich gestern mehrfach verbal gegen einen zu starken Euro. Laut Protokoll hatten bei der Juli-Sitzung einige Notenbanker vor einem “Überschießen” gewarnt. Gestern hätten viele solche Sorgen wiederholt, sagte Draghi. Die Euro-Aufwertung erschwert die Rückkehr der Inflation zum EZB-Ziel von unter, aber nahe 2 % (siehe Bericht auf dieser Seite).Der EZB-Rat zeigte sich gestern etwas zuversichtlicher, dass die Inflation angesichts der zunehmend robusten und breiten Wirtschaftserholung zulegen werde. Auch die Löhne zögen an. Es bedürfe aber “weiterhin eines sehr erheblichen Grads an geldpolitischer Akkommodierung”.