Draghi dringt auf rasche Euro-Reformen
ahe/ms Brüssel/Frankfurt – EZB-Präsident Mario Draghi hat erneut für rasche Reformen zur Stärkung der Währungsunion geworben und dabei noch einmal die Position Deutschlands aufs Korn genommen. Die Anstrengungen der vergangenen Jahre hätten die Eurozone widerstandsfähiger gegen Schocks gemacht, sagte Draghi gestern im EU-Parlament in Brüssel. Die Währungsunion sei jedoch immer noch unvollständig und bleibe anfällig. Er warnte davor, zu sehr zwischen Risikoreduzierung und Risikoteilung zu differenzieren – wie es vonseiten der Bundesregierung praktiziert wird.Die EU-Staats-und Regierungschefs hatten auf ihrem Euro-Gipfel Ende Juni unter anderem grünes Licht für eine beim Euro-Rettungsschirm ESM angesiedelte Letztsicherung für den Bankenabwicklungsfonds gegeben. Draghi betonte nun, dieser Backstop solle so bald wie möglich in Betrieb genommen werden und müsse rasche und effiziente Entscheidungsverfahren erhalten. Der EZB-Chef befürwortete allerdings ausdrücklich auch noch weitere Reformschritte, über die zurzeit noch diskutiert wird – wie unter anderem die Einführung einer europäischen Arbeitslosenrückversicherung, wie sie auch in den deutsch-französischen Beschlüssen von Meseberg zu finden ist, eine zusätzliche makroökonomische Stabilisierungsfunktion sowie eine europäische Einlagensicherung (Edis).In diesem Zusammenhang stellte sich Draghi auch noch einmal gegen die Bundesregierung, die, unterstützt auch von der Bundesbank, darauf pocht, dass erst weiter Risiken abgebaut werden, bevor über eine stärkere Risikoteilung gesprochen wird. Draghi warnte davor, mit einer zu starken Differenzierung zwischen Risikoreduzierung und Risikoteilung den Reformprozess in der Eurozone zu blockieren. Zum einen habe es bereits deutliche Risikosenkungen gegeben, und weitere seien zum Beispiel im Bereich der Non-performing Loans (NPL) absehbar. Zum anderen sei Risikoteilung eine deutliche Hilfe bei der weiteren Risikoreduzierung. Durch Edis würden etwa die Risiken eines Bank Run oder einer finanziellen Fragmentierung verringert und somit die Wirksamkeit der Geldpolitik unterstützt. “Mit dem richtigen politischen Rahmen verstärken sich Risikoteilung und Risikoreduktion gegenseitig”, sagte er.Draghi verwies in diesem Kontext auch noch einmal auf die besondere Bedeutung des großen Bankenregulierungspakets, zu dem in der vergangenen Woche die Schlussverhandlungen zwischen Rat, EU-Kommission und EU-Parlament begonnen haben, und er rief zu einem raschen Abschluss auf. Keine rasche ZinserhöhungSeinen Appell für eine weitere Stärkung der Eurozone begründete Draghi auch mit der global erhöhten Unsicherheit, etwa durch die Gefahr eines zunehmenden Protektionismus. “Es ist wichtiger denn je, dass Europa zusammenhält”, sagte Draghi. Insgesamt wiederholte er aber die recht zuversichtliche Einschätzung des EZB-Rats für das Wachstum und die Inflation – auch nach der neuerlichen Eskalation des Handelsstreits zwischen den USA und China von Ende vergangener Woche.Entsprechend bestätigte Draghi die Erwartung der Euro-Hüter, dass die Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) Ende 2018 beendet werden. Zum Termin einer möglichen ersten Zinserhöhung wiederholte er nur die Formulierung, dass die rekordniedrigen Leitzinsen bis “mindestens über den Sommer 2019” unangetastet bleiben. Was das genau bedeutet, ist unter Marktteilnehmern und auch unter Notenbankern umstritten.