Draghi macht Tempo bei Protokollen

EZB-Präsident will noch diesen Herbst Vorschlag vorlegen - Notenbanker haben keine Deflationssorgen

Draghi macht Tempo bei Protokollen

Erst die US-Fed, dann die Bank of England, schließlich die EZB: Die führenden Notenbanken halten binnen weniger Stunden an ihrer lockeren Geldpolitik fest. Bei der EZB zeichnet sich aber eine Neuerung ab – Sitzungsprotokolle.ms Frankfurt – EZB-Präsident Mario Draghi will dem Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) bereits in Kürze einen Vorschlag zur Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen vorlegen. Draghi kündigte gestern nach der Ratssitzung an, dass er ihn “im Herbst” präsentieren werde: “Wir denken, dass es klug ist, eine reichhaltigere Kommunikation zu haben.” Die Diskussion sei aber “in einem frühen Stadium”.Draghi drückt damit bei dem Thema gehörig aufs Tempo. Erst am Mittwoch hatte er sich erstmals öffentlich für eine Veröffentlichung ausgesprochen (vgl. BZ vom 1. August). Anders als andere führende Notenbanken wie die US-Fed veröffentlicht die EZB bislang zeitnah keine Protokolle, sondern erst nach 30 Jahren Aufzeichnungen. Auch das Abstimmungsergebnis bleibt geheim.Statt eines Protokolls gibt es nach jeder Ratssitzung ein Statement des EZB-Präsidenten und eine zumeist einstündige Pressekonferenz. Hintergrund dieser Praxis war vor allem in den Anfangstagen, dass vermieden werden sollte, dass einzelne Notenbanker unter Druck der Regierungen oder der Öffentlichkeit in ihren Ländern kommen, wenn klar ist, welche Position sie vertreten.Draghi betonte auch gestern, dass die Eurozone ein Spezialfall sei, weil es um 17 autonome Nationalstaaten gehe. “Es ist besonders wichtig, dass eine Änderung die Unabhängigkeit der EZB-Ratsmitglieder nicht gefährdet.” Beobachter werteten dies als Signal, dass die EZB darauf verzichten könnte, das namentliche Abstimmungsergebnis zu veröffentlichen. Entschieden scheint aber nichts. EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen plädiert dafür mitzuteilen, wer warum wie gestimmt hat.Gestern ließ die EZB ihre Leitzinsen auf den aktuellen Rekordtiefs. Sie erneuerte zudem ihre Erwartung, dass sie noch “für längere Zeit” extrem niedrig bleiben. Anfang Juli hatte sie diese “Forward Guidance” gegeben. Das sei grundsätzlich erfolgreich gewesen, sagte Draghi.Er betonte gestern mehrfach, entscheidend für diese Vorhersage sei die Erwartung, dass die Inflation auf mittlere Sicht gedämpft bleibe. Dieser Ausblick sei “unverändert”, auch wenn sich die Wirtschaft zuletzt – wie erwartet – zu stabilisieren schien. Damit stemmte er sich auch gegen Spekulationen, dass die EZB ihre Zinsen bei besseren Konjunkturdaten vielleicht doch schon früher anhebt. Damit sich die Guidance ändere, brauche es schon “signifikant bessere” Daten als bislang erwartet.Die Erwartung, dass die EZB frühzeitig in der Erholung die Zinsen erhöhen könnte, stammt auch aus 2011, als sie frühzeitig die Zinsen zweimal anhob und dies später revidieren musste, als die Eurozone erneut in die Rezession schlitterte.Für die nächsten Monate geht die EZB davon aus, dass die Inflationsraten fallen. Grund seien aber Basiseffekte. Aktuell liegt die Rate bei 1,6 % und damit deutlich unterhalb des EZB-Ziels von knapp 2 %. Die Fed hatte am Mittwoch erklärt, dass es Risiken für die Wirtschaft gebe, wenn die Inflation lange zu niedrig sei. Draghi sagte, die EZB sei “nicht blind” gegenüber solchen Risiken. Zugleich betonte er aber, dass niedrige Inflation die Kaufkraft stütze. Eine Deflation fürchtet er derzeit nicht.Draghi betonte, die EZB werde weiter dafür sorgen, dass reichlich Liquidität im Bankensystem vorhanden ist. Tatsächlich aber ist die Überschussliquidität zuletzt deutlich gesunken und nähert sich der Marke von 200 Mrd. Euro, ab der auch die EZB steigende Geldmarktsätze erwartet – die sie eigentlich derzeit nicht will. Draghi wich aber Fragen aus, wie die EZB dann reagieren werde. Beobachter rechnen damit, dass sie dann neue langfristige Refinanzierungsgeschäfte auflegt – möglicherweise mit fünf Jahren Laufzeit.—– Wertberichtigt- Bericht Seite 18