Draghis Ansage

Von Mark Schrörs, Frankfurt Börsen-Zeitung, 28.3.2019 EZB-Präsident Mario Draghi weiß genau, was von ihm erwartet wird. Seine "President's Address" bei der gestrigen ECB Watchers Conference ist sein erster öffentlicher Auftritt seit der EZB-Sitzung...

Draghis Ansage

Von Mark Schrörs, FrankfurtEZB-Präsident Mario Draghi weiß genau, was von ihm erwartet wird. Seine “President’s Address” bei der gestrigen ECB Watchers Conference ist sein erster öffentlicher Auftritt seit der EZB-Sitzung Anfang März, bei der die Euro-Hüter viele Beobachter auf dem falschen Fuß erwischten, als sie die Zinswende mindestens auf das Jahr 2020 vertagten und neue Geldspritzen für die Euro-Banken beschlossen. Was genau war der Grund für die primär wegen des Zeitpunkts überraschende Entscheidung? Hat den EZB-Rat gar Panik erfasst angesichts der unerwartet starken Abkühlung der Wirtschaft? Vor allem aber: Wie geht es geldpolitisch jetzt weiter? Das sind die Fragen, die auch bei der hochkarätig besetzten Konferenz alle umtreiben. Letzter AuftrittAls Draghi nun also gestern an das Rednerpult im großen Konferenzsaal Liberty im Hilton Hotel in Frankfurt tritt, erlaubt er sich nur einen kurzen Moment der Wehmut – nachdem Konferenzorganisator Volker Wieland zuvor daran erinnert hat, dass dies Draghis fünfter und letzter Auftritt bei dieser Konferenz sein werde. Draghis Amtszeit endet Ende Oktober 2019. Draghi bedankt sich für die “Aufmerksamkeit” und das “Verständnis” der versammelten Schar der EZB-Beobachter in den vergangenen Jahren – um dann sogleich umzuschalten, zum “formalen Teil”, wie er es nennt, seine Rede. Mit letztlich 24 Minuten ist diese deutlich kürzer als die im Programm angesetzten 40 Minuten. Trotzdem, oder gerade deshalb, ist die Botschaft klar.Draghi spricht über die Lage und den Ausblick für die Euro-Wirtschaft: Er führt aus, dass sich die Nachfrage aus dem Ausland wegen der Handelsstreitigkeiten und der Abkühlung in China deutlich stärker abgeschwächt habe als zunächst gedacht, dass die binnenwirtschaftliche Nachfrage vor allem dank der guten Arbeitsmarktlage jedoch weiterhin robust sei. “Aber die Risiken sind in den letzten Monaten gestiegen und die Unsicherheit bleibt hoch”, sagt er.Draghi redet über den Ausblick für die Inflation und die Löhne: Er betont, dass die Teuerung bislang nicht so anziehe wie erwartet, dass der EZB-Rat aber weiter davon ausgehe, dass sich die steigenden Löhne am Ende in höherer Inflation niederschlagen werden. “Wir sind nach wie vor zuversichtlich, dass die anhaltende Konvergenz der Inflation zu unserem Ziel aufgeschoben, aber nicht aufgehoben ist”, sagt er.Vor allem aber thematisiert Draghi den EZB-Kurs und den Ausblick für die Geldpolitik: Er betont, dass der EZB-Rat mit seinen jüngsten Beschlüssen den nötigen Expansionsgrad der Geldpolitik gesichert zu haben glaubt, dass die Notenbanker aber auch jederzeit willens und bereit seien nachzulegen, falls sich der Wirtschafts- und Inflationsausblick weiter verschlechtern sollte: “In diesem Fall wird die EZB alle geldpolitischen Maßnahmen ergreifen, die zur Erreichung ihres Ziels notwendig und verhältnismäßig sind”, sagt er – und fügt hinzu: ” Uns fehlen nicht die Instrumente, um unserem Auftrag gerecht zu werden.”Welche Instrumente er genau im Kopf hat, darüber hüllt sich Draghi weitgehend in Schweigen. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet wird bei der Konferenz später sogar sagen, dass es für eine Zentralbank wichtig sei, nicht zu verraten, was sie im Sinn habe – denn das würde viele Marktbewegungen auslösen. Eine Option nennt Draghi dann aber doch: Die Zinswende könnte noch weiter in die Zukunft vertagt werden. Entenbrust und FischIn dem Kontext fällt denn auch ein Satz, der viele der knapp 500 Zuhörer aufhorchen lässt und der auch beim Mittagsbuffet – unter anderem Entenbrust mit Spinat-Preiselbeer-Chutney, Orangen-Fenchelsalat und Dorsch mit Wurzelgemüse – für viele Diskussionen sorgt: Falls nötig könnte der EZB-Rat Maßnahmen beschließen, mögliche negative Nebenwirkungen des negativen Einlagensatzes auf die Banken abzumildern. Tatsächlich wird in Notenbankkreisen aktuell diskutiert, ob es nötig ist, Banken von dem aktuell bei – 0,4 % liegenden Einlagenzins zu entlasten. Eine Option wäre ein gestaffelter Einlagensatz nach dem Vorbild Japans.Draghi macht aber ebenso klar, dass die Banken die Niedrig- und Negativzinsen der EZB nicht als Ausrede für geringe Gewinne hernehmen sollten. “Die niedrige Volatilität der Banken ist keine unvermeidliche Folge negativer Zinsen”, sagt er klipp und klar – und hat auch gleich eine Liste parat, wie die Banken die eigene Position stärken könnten: durch Kostensenkungen, Investitionen in die IT oder auch das Erschließen neuer Einnahmequellen. Draghi, der am Ende für seine Verdienste von Wieland eine Replik des Denars Karls des Großen überreicht bekommt, einer Münze aus dem 8. Jahrhundert, weiß eben nicht nur, was von ihm erwartet wird – sondern auch genau, was er von anderen erwartet.—–Der EZB-Präsident rechtfertigt den jüngsten Kurs – und betont seine Handlungsbereitschaft.—–