Milliardenhilfen

Effizienz der EU-Coronahilfen rückt in den Fokus

Die großen EU-Länder schicken in dieser Woche ihre nationalen Aufbaupläne zur Prüfung nach Brüssel. Bereits vorab gibt es vereinzelt Kritik. Die EU-Bürger sehen den milliardenschweren Fonds auf jeden Fall zunehmend skeptisch.

Effizienz der EU-Coronahilfen rückt in den Fokus

Von Andreas Heitker, Brüssel,

und Gerhard Bläske, Mailand

Da überall in der EU die nationalen Aufbaupläne in diesen Tagen vor der Verabschiedung stehen, rückt in Brüssel zunehmend einmal mehr die Frage in den Fokus der Öffentlichkeit, wie effektiv der milliardenschwere EU-Wiederaufbaufonds die Erholung der europäischen Wirtschaft eigentlich voranbringen wird. Die EU-Kommission selbst erinnerte die Mitgliedstaaten gestern noch einmal daran, einen signifikanten Anteil des Brüsseler Geldes auch für Reformen einzuplanen, die bereits in den länderspezifischen Empfehlungen der vergangenen Jahre festgehalten wurden.

Aus dem EU-Aufbaufonds werden insgesamt 312,5 Mrd. Euro als Zuschüsse an die EU-Staaten verteilt und bis zu 360 Mrd. Euro als Darlehen. Nachdem Portugal bereits in der letzten Woche als erstes Land einen Plan offiziell zur Prüfung und Genehmigung in Brüssel eingereicht hatte, werden in dieser Woche viele weitere EU-Staaten folgen. Die EU-Kommission hatte eigentlich aufgefordert, alle Finanzierungsvorhaben bis zum 30. April einzureichen. In Italien hat Premierminister Mario Draghi gestern vor dem Abgeordnetenhaus in Rom den Plan für die Mittelverwendung vorgestellt. Frankreichs Regierung wird ihre Vorhaben an diesem Dienstag im Parlament diskutieren. Die Bundesregierung, die auf eine Beteiligung des Bundestages verzichtet, wird den deutschen Aufbauplan ebenfalls an diesem Dienstag vom Kabinett verabschieden lassen. Die Finanzminister Deutschlands und Frankreichs, Olaf Scholz und Bruno Le Maire, wollen ihre Aufbaupläne in einer gemeinsamen Pressekonferenz erläutern, bevor diese am Mittwoch nach Brüssel geschickt werden.

Vorab Kritik an beiden Ländern äußerten die Grünen, da sowohl Deutschland als auch Frankreich bereits vorher geplante Maßnahmen in die jeweiligen Finanzierungen aufgenommen haben. Der EU-Abgeordnete Sven Giegold verwies darauf, dass rund 80% der Maßnahmen im deutschen Aufbauplan schon Teil des nationalen Konjunkturprogramms aus dem letzten Juni gewesen seien. „So entsteht kein zusätzlicher Konjunkturimpuls aus dem EU-Wiederaufbaufonds.“ Deutschland kann nach jetzigem Stand zu aktuellen Preisen mit 25,6 Mrd. Euro Zuschüssen aus Brüssel rechnen.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner kritisierte, dass der deutsche Finanzierungsplan kaum Mittel für Strukturreformen bereithalte. Dabei habe gerade die Bundesregierung in den Verhandlungen um den Wiederaufbaufonds darauf gedrungen, dass die länderspezifischen Empfehlungen umgesetzt werden müssten. Deutschland habe jetzt „ein Glaubwürdigkeitsdefizit“. Nach Informationen der Grünen ist auch die EU-Kommission unzufrieden mit dem deutschen Aufbauplan.

Im Bundesfinanzministerium will man von der Kritik nichts wissen. Es seien keine alten Maßnahmen im Programm. Deutschland sei 2020 nur schnell fertig geworden mit seinem Konjunkturpaket, betonte ein Sprecher.

Die EU-Kommission hatte allerdings auch an den italienischen Entwürfen Kritik an Einzelmaßnahmen geübt und konkretere Reformvorhaben sowie einen Fahrplan dafür verlangt, was die Fertigstellung des Plans in Rom um mehrere Tage verzögert hatte. Insbesondere verlangte Brüssel Garantien, dass bestehende Frühverrentungsregeln nicht verlängert, Steuerflucht und Schwarzarbeit effektiver unterbunden und Märkte verpflichtend liberalisiert werden. Draghi musste dem Vernehmen nach persönlich bei EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen intervenieren, um Blockaden zu lösen.

Das Misstrauen gegen das hoch verschuldete Land, das schon in der Vergangenheit eingegangene Verpflichtungen nicht erfüllte, ist groß. Draghi verpflichtete sich persönlich zu Reformen der Justiz, der Verwaltung, des Steuersystems und des Marktes zu festen Stichtagen.

Draghi sagte vor dem Parlament, von dem Plan hänge das Schicksal des Landes ab. Italien sei ökonomisch am stärksten von der Coronakrise getroffen worden. Von einer vernünftigen Nutzung der europäischen Mittel hingen Glaubwürdigkeit und Ruf des Landes ab. „Es liegt an uns, das Italien von morgen auf die beste Weise vorzubereiten.“

Laut Draghi hat das Bel Paese insgesamt 248 Mrd. Euro aus diversen europäischen und nationalen Programmen zur Verfügung. Italien ist der größte Nutznießer des EU-Wiederaufbaufonds. Etwa 40% der Mittel sollen nach Süditalien fließen: „Wenn der Süden wächst, wächst auch Italien“, so Draghi. Der Plan soll vermutlich am Donnerstag nach Brüssel übermittelt werden.

In einer neuen repräsentativen Eurobarometer-Umfrage in der gesamten EU zeigten sich unterdessen deutlich mehr Menschen skeptisch gegenüber dem Wiederaufbaufonds als noch im vergangenen Herbst. Insgesamt sagten nur noch 55% der Befragten, sie hielten den 750-Mrd.-Euro-Fonds für „effektiv“ oder „sehr effektiv“ – ein Minus von 13 Prozentpunkten (siehe Grafik). Die Deutschen gehörten in der Befragung übrigens zu den skeptischsten: Positiv äußerten sich „nur“ 48%. Kritischere Antworten kamen lediglich aus drei Ländern: Lettland, Frankreich und Finnland.

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