Ein Gipfel voller Symbolik

Die EU will im rumänischen Sibiu ein Zeichen der Einheit senden - Konkrete Reformen nicht auf der Agenda

Ein Gipfel voller Symbolik

Sowohl in der EU-Kommission als auch im Europäischen Rat wird zurzeit Bilanz gezogen und werden Prioritäten für die nächsten Jahre diskutiert. Auf dem Gipfel in Sibiu sollte morgen eigentlich ein Reformprogramm für die EU beschlossen werden – zu mehr als einem Zeichen der Einheit wird es aber wohl nicht reichen.Von Andreas Heitker, BrüsselDie Idee, die schon seit 2017 offiziell auf der europäischen Agenda steht, war eigentlich überzeugend: Unmittelbar nach dem Brexit, so lautete die Überlegung in Brüssel, sollten die Staats- und Regierungschefs der verbleibenden 27 EU-Länder auf einem Sondergipfel zusammenkommen, um ihren gemeinsamen Weg in die Zukunft neu zu beschließen. Am Europatag am 9. Mai, der Gemeinschaft und Einigkeit demonstriert. Nur zwei Wochen vor der Europawahl. Ziemlich genau 15 Jahre nach der großen Osterweiterung der Union, die das endgültige Ende der Nachkriegsära markiert. Und das in einem früheren Land des “Ostblocks”. Und dann auch noch in Sibiu (Hermannstadt), das keine Hauptstadt ist, sondern eine Art frühe europäische Multikulti-Stadt. Mehr EU-Symbolik geht für einen einzelnen Gipfel kaum.Doch irgendwie will es nicht so recht etwas werden mit dem großen Erneuerungsgipfel der EU. Die Briten sind immer noch Teil der Gemeinschaft, und niemand kann sagen, wie lange noch. Und statt echter und konkreter Reformen beinhaltet die Abschlusserklärung, auf die sich die Diplomaten der EU-27 in den vergangenen Tagen verständigt haben, lediglich zehn unverbindliche Selbstverpflichtungen. Juncker zieht Bilanz”Wir bekräftigen unseren Glauben, dass wir vereint stärker sind in dieser zunehmend verunsicherten und herausfordernden Welt”, heißt es da an einer Stelle. “Wir werden vereint bleiben, durch dick und dünn”, an einer anderen. Oder auch: “Wir werden weiterhin unseren Lebensstil, unsere Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit schützen.” EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte dies gestern so: Die EU müsse wieder über eine “positive Agenda” sprechen. Dies sei mittlerweile dringender denn je.Neben der Abschlusserklärung wollen die Regierungschefs sich auch noch um eine “Strategische Agenda” für den nächsten Fünf-Jahres-Zeitraum bis 2024 kümmern. Hier wird es schon konkreter, und es geht um die Prioritäten, die die EU-Institutionen in den nächsten Jahren verfolgen sollen. Die vier großen Bereiche lauten hier: Erstens Schutz der Bürger und der Freiheit. Zweitens Weiterentwicklung der ökonomischen Basis, sprich: Währungsunion, Wettbewerbspolitik, Investitionen und die Digitalisierung. Drittens Nachhaltigkeit. Und viertens die Verteidigung der EU-Interessen in der Welt.Juncker spricht hier lieber von der “Weltpolitikfähigkeit” der EU. Der Kommissionschef ist noch ein halbes Jahr im Amt, beginnt jetzt aber schon damit, Bilanz seiner Arbeit zu ziehen. Er verweist darauf, dass seine Kommission bereits die Forderung nach einem “Weniger,-aber-besser” umgesetzt habe. Unter seiner Ägide seien 75 % weniger Legislativvorschläge veröffentlicht worden als noch in den vorherigen fünf Jahren. Zudem seien 174 alte Gesetzesvorschläge zurückgezogen worden. Fehler vor Brexit-ReferendumJuncker sieht es als größten Erfolg seiner Amtszeit an, dass Griechenland in der Eurozone gehalten wurde. Und seine größten Fehler? Er selbst sagt, dass er nicht schnell genug auf die Luxleaks-Veröffentlichungen reagiert und sich zudem aus den Brexit-Kampagnen im Vorfeld des Referendums 2016 herausgehalten hat. Brüssel hätte die Lügen der Brexiteers aufdecken müssen.Für die EU-Regierungschefs ist dies in Sibiu allerdings kein Thema mehr. Sie führen in Rumänien dagegen schon erste Gespräche, wie genau der nächste Kommissionspräsident bestimmt werden soll.