NOTIERT IN LUXEMBURG

Ein harter Schlag für Golfer

Die beiden goldenen Hochhaustürme des Europäischen Gerichtshofs sind immer dann in den Abendnachrichten zu sehen, wenn über die Anleiheankaufprogramme der Europäischen Zentralbank beraten wird. Allerdings sollte niemand daraus den Schluss ziehen,...

Ein harter Schlag für Golfer

Die beiden goldenen Hochhaustürme des Europäischen Gerichtshofs sind immer dann in den Abendnachrichten zu sehen, wenn über die Anleiheankaufprogramme der Europäischen Zentralbank beraten wird. Allerdings sollte niemand daraus den Schluss ziehen, dass die Luxemburger Richter in ihrem Alltag vor allem mit großen politischen Fragen zu tun haben. Nein. Viel typischer ist, dass sie sich mit den kleinen Dingen des Lebens der Europäer herumschlagen müssen.Zuletzt mussten sich Europas oberste Juristen beispielsweise mit folgenden drei Schicksalsfragen befassen: Sind kleingewachsene Griechinnen in der Lage, den Verkehr in Thessaloniki zu regeln? Sind Kitkat-Schokoriegel so einmalig, dass sie nicht kopiert werden dürfen? Und: Ist Bridge ein schweißtreibendes Spiel?Aber der Reihe nach. Im Oktober erklärte der EuGH eine Vorgabe der staatlichen griechischen Polizeischule für nichtig, der zufolge männliche wie weibliche Kandidaten nur dann aufgenommen werden können, wenn sie mindestens 1,70 Meter groß sind. Die EU-Richter hielten das für eine unlautere Benachteiligung der Frauen. Immerhin würde, wenn man Deutschland als Referenz nimmt, eine 1,70-Meter-Vorgabe 73,4 % der erwachsenen Frauen von diesem Berufsweg ausschließen, aber nur 11,8 % der Männer. Zudem argumentierte das Gericht, dass selbst kleingewachsene Menschen beispielsweise an Verkehrskreuzungen einsetzbar seien. Will sagen: Nicht alle polizeilichen Tätigkeiten erforderten “die Anwendung körperlicher Gewalt” – na Gott sei Dank!Ein ganz anderes Thema trieb die Europarichter zehn Monate zuvor um. Hat das EU-Amt für geistiges Eigentum einen Fehler begangen, als es “die dreidimensionale Form des Schokoriegels Kit Kat 4 Finger” – eine Formation, die an vier nebeneinanderliegende Goldbarren erinnert – als Marke eingetragen hat? Nach einer nahezu philosophischen Abhandlung über Unterscheidungskraft und allgemeine Wahrnehmung von feinen Backwaren und Kleingebäck kam der EuGH zum Urteil: Das Markenamt muss den Fall neu aufrollen.Vor drei Wochen schließlich mussten die Richter zur Bestform auflaufen, um ein – man darf sagen: historisches – Urteil zu fällen. Sie kamen zum Befund, dass das Kartenspiel Bridge keine “bedeutende körperliche Komponente” enthalte. Bridge, so die Richter, setze “zwar Logik, Gedächtnisvermögen und strategisches Denken voraus und kann der geistigen und körperlichen Gesundheit derer, die es regelmäßig spielen, förderlich sein”. Das sei für sich genommen aber kein hinreichender Anhaltspunkt für die Schlussfolgerung, dass diese Tätigkeit unter den Begriff “Sport” falle. Entsprechend greife für Bridgeklubs eben nicht die Ermäßigung bei der Mehrwertsteuer. Tja, Pech gehabt, liebe Kartenkränzchen!Noch ist nicht klar, welche weitreichenden Folgen dieser Schiedsspruch haben wird. Nur so viel ist gewiss. Die Kricketvereine zittern schon. Die Billiardklubs bangen. Und auch Liebhaber des Golfsports müssen sich auf einen harten Schlag einstellen.