EZB-AUFTAKT INS JAHR 2021

Ein Jahr wichtiger Weichenstellungen

EZB will umfassende Strategieüberprüfung abschließen - Digitaler Euro kommt

Ein Jahr wichtiger Weichenstellungen

ms Frankfurt – Die Corona-Pandemie stellt auch die Europäische Zentralbank (EZB) vor beispiellose Herausforderungen – und sie wird 2021 das Denken und Handeln der Euro-Hüter erneut wesentlich dominieren. Zugleich stehen die Notenbanker in diesem Jahr aber noch vor weiteren zentralen Herausforderungen, die die EZB-Geschicke sogar noch existenzieller und dauerhafter bestimmen dürften als die Pandemie: die Strategieüberprüfung und die Debatte über den digitalen Euro. EZB-Strategie: Erstmals seit 2003 stellt die EZB ihre Strategie grundlegend auf den Prüfstand. Eigentlich sollte der Prozess bereits Ende 2020 abgeschlossen sein, aber die Pandemie hat den Euro-Hütern im vergangenen Jahr immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht. Jetzt aber hat sie den Prozess forciert und in der zweiten Jahreshälfte soll es Ergebnisse geben. Insgesamt gibt es 13 Workstreams – vom Inflationsziel und der Preismessung bis hin zu Globalisierung und Klimawandel. Der Prozess ist damit deutlich breiter als etwa der Strategiecheck der Fed.Im Mittelpunkt steht aber die Debatte über das Inflationsziel. Seit 2003 strebt der EZB-Rat mittelfristig eine Inflationsrate von “unter, aber nahe 2 %” an – gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI). Was damit genau gemeint ist, ist aber unklar. Einige Notenbanker sahen in der Vergangenheit auch 1,5 % als in Einklang mit dem Ziel, andere nur 1,9 %. Für Diskussionen sorgte auch immer wieder, ob die knapp 2 % eine Art Obergrenze sind. In Notenbankkreisen scheinen nun viele für ein klareres Ziel von (rund) 2 % zu sein, das explizit symmetrisch angelegt ist – Abweichungen nach unten und oben würden als gleich schlecht angesehen.Ein umstrittener Punkt ist, ob die EZB dem Vorbild der US-Notenbank folgen und künftig versuchen sollte, Zielverfehlungen in einem Jahr in späteren Jahren auszugleichen. Die Fed hat als Ergebnis ihrer Strategieüberprüfung einen historischen Schwenk hin zu einem durchschnittlichen Inflationsziel vollzogen (“Average Inflation Targeting”). Statt jedes Jahr aufs Neue 2 % anzuvisieren, will die Fed nun über einen bestimmten Zeitraum im Schnitt 2 % anstreben und Verfehlungen in der Zukunft ausgleichen. Nach Jahren unterhalb von 2 % läuft das auf Jahre oberhalb von 2 % hinaus. Auch die EZB verfehlt ihr 2-Prozent-Ziel de facto bereits seit vielen Jahren.Ein sehr strittiges wie vieldiskutiertes Thema bei der Strategieüberprüfung ist die Rolle der EZB im Kampf gegen den Klimawandel. EZB-Präsidentin Christine Lagarde dringt auf eine stärkere Rolle und liebäugelt gar mit einer “grünen” Geldpolitik – also etwa einer expliziten Bevorzugung grüner Wertpapiere bei den EZB-Anleihekäufen. Andere wie Bundesbankpräsident Weidmann sind zurückhaltender. Digitaler Euro: Unabhängig von der Strategieüberprüfung steht die Frage nach der Einführung eines digitalen Euro an. Lange Zeit hat die EZB das Thema eher von sich geschoben, aber mit EZB-Präsidentin Lagarde hat das Thema neue Prominenz erhalten – zumal angesichts privater Initiativen wie der Facebook-Währung Libra oder von Plänen anderer Länder wie China zur Einführung digitaler Währungen und digitalen Zentralbankgelds. Zudem hat die Coronakrise den Trend zum elektronischen Bezahlen forciert.Eigentlich will der EZB-Rat erst Mitte des Jahres über die Einführung entscheiden. Inzwischen gilt das aber als ausgemacht und es scheint nur die Frage zu sein, wann und wie der digitale Euro kommt. Lagarde selbst sagte vor wenigen Tagen, dass sie hoffe, dass es bis zur Einführung nicht länger als fünf Jahre dauere.Eine große Sorge, nicht zuletzt von Bundesbankpräsident Weidmann, ist jene vor einem “digitalen Bank Run” in Krisenzeiten. In der EZB werden intern bereits mögliche Gestaltungsformen des digitalen Euro getestet.