Ein Jahr zum Vergessen für die deutsche Wirtschaft
2023 ist ein Jahr zum Vergessen
Schrumpfende Wirtschaft, hohe Inflation: Das Konjunkturtableau zeichnet ein düsteres Bild – Neue Daten enttäuschen
Die deutsche Wirtschaft steckt im Grunde seit dem vergangenen Herbst in Schwierigkeiten. Zwischenzeitliche Hoffnungen auf eine Wende zum Besseren haben sich zerschlagen. Die Angst vor einer neuen Rezession geht um. Blicke richten sich nun auf das Jahr 2024 – aber allzu groß ist die Hoffnung auch da nicht mehr.
ms Frankfurt
Eine schrumpfende Wirtschaft und eine viel zu hohe Inflation – das Jahr 2023 ist für die deutsche Wirtschaft eines zum Vergessen. Das spiegelt sich auch im aktuellen Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) wider. Demnach erwarten die Prognostiker einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,3% und eine Inflation von 6,0%. Dazu passen auch am Freitag veröffentlichte Konjunkturdaten: So ließ der als Frühindikator geltende Lkw-Verkehr auf den deutschen Autobahnen im August nach. Und die Inflation in Deutschland lag im August bei weiter hohen 6,1%.
Fehlstart ins dritte Quartal
Nach der technischen Rezession im Winterhalbjahr 2022/2023 war die deutsche Wirtschaft im Frühjahr zumindest nicht weiter geschrumpft – was zeitweise Hoffnungen auf eine Wende zum Besseren geschürt hatte. In den vergangenen Wochen nahmen dann jedoch die Signale und mithin die Ängste zu, dass es nun wieder bergab geht und Deutschland erneut in die Rezession rutschen könnte. Immer wieder ist nun auch erneut die Rede vom „kranken Mann Europas“ oder sogar der Welt. Bundesbankpräsident Joachim Nagel hatte das diese Woche zurückgewiesen, und auch die Bundesregierung warnt vor Schwarzmalerei.
Tatsächlich hat die deutsche Wirtschaft einen kompletten Fehlstart ins dritte Quartal hingelegt. Im Juli sanken sowohl die Einzelhandelsumsätze als auch die Exporte und die Industrieproduktion. Der Einzelhandelsumsatz ging zum Vormonat kalender- und saisonbereinigt nominal um rund 0,8% zurück. Die Ausfuhren deutscher Exporteure fielen im Juli um 0,9% im Vergleich zum Vormonat. Und am Donnerstag war bekannt geworden, dass die Industrieproduktion um 0,8% gesunken ist. Damit ist das Risiko einer erneuten Schrumpfung deutlich gestiegen.
Für das Gesamtjahr 2023 gehen die Prognostiker laut Konjunkturtableau nun im Mittel von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,3% aus. Die tiefste Prognose liegt dabei bei 0,5% (siehe Tabelle). Tatsächlich sind einige Wirtschaftsforschungsinstitute inzwischen sogar skeptischer. Das RWI Essen etwa erwartet laut seiner neuesten Prognose von Donnerstag ein Minus von 0,6%. Als große Belastungsfaktoren gelten nicht zuletzt die maue Weltwirtschaft, die weiter hohe Inflation, die stark gestiegenen Leitzinsen und die Energiekrise.
Zuletzt sind zudem die Erwartungen für das nächste Jahr teils deutlich zurückgeschraubt worden. Das RWI etwa nahm seine bisherige Schätzung von 2,0% auf 1,1% zurück. Das DIW in Berlin sagte am Freitag 1,2% für 2024 wie 2025 voraus. Das deckt sich auch mit den Einschätzungen der Prognostiker. Sie erwarten im Mittel für das neue Jahr ebenfalls 1,2%. Für den Euroraum sind sie mit 0,7% im Jahr 2023 und 1,3% im Jahr 2024 etwas optimistischer.
Lkw-Verkehr geht zurück
Am Freitag schürten neue Daten den Konjunkturpessimismus. So ging der von Ökonomen als früher Hinweisgeber auf den Konjunkturverlauf betrachtete Lkw-Verkehr auf den deutschen Autobahnen im August zurück. Die Fahrleistung mautpflichtiger Lastkraftwagen mit mindestens vier Achsen auf Bundesautobahnen sank kalender- und saisonbereinigt um 0,8% zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Im Vergleich zum Vorjahresmonat fiel der Lkw-Maut-Fahrleistungsindex sogar um 3,3%.
„Für uns ist diese Zahl ein weiteres Indiz dafür, dass die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal schrumpfen wird. Wir gehen schon länger davon aus, dass es in der zweiten Jahreshälfte keine Erholung der Konjunktur, sondern eine neuerliche Rezession geben wird“, sagte Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. „Die Gründe für die aktuelle Schwäche sind sicherlich in erster Linie in der weltweiten Straffung der Geldpolitik zu sehen, die im Inland und im Ausland die Nachfrage nach deutschen Industriegütern bremst.“
Die Inflation in Deutschland bleibt derweil hoch, wie das Statistische Bundesamt am Freitag bestätigte. Die Verbraucherpreise lagen demnach im August um durchschnittlich 6,1% höher als ein Jahr zuvor. Im Juli war die Teuerungsrate auf 6,2% gefallen, nachdem sie im Juni auf 6,4% gestiegen war. „Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln und Energie liegen oberhalb der Gesamtteuerung und halten die Inflationsrate hoch“, sagte die Präsidentin des Statistikamtes, Ruth Brand.
Die für das Konjunkturtableau befragten Prognostiker erwarten zwar für 2024 einen deutlichen Rückgang der Teuerung in Deutschland auf 2,7%. Das läge aber noch oberhalb des 2-Prozent-Ziels der Europäischen Zentralbank (EZB).