LEITARTIKEL

Ein Lift in den Orbit

Freunde von unterhaltsamen Geschichten aus dem Weltall kommen kurz vor Weihnachten am ehesten im Kino auf ihre Kosten. Die Filmproduktionen aus der Reihe "Star Wars" waren in den vergangenen Jahren regelmäßig auf einen Kinostart in der zweiten...

Ein Lift in den Orbit

Freunde von unterhaltsamen Geschichten aus dem Weltall kommen kurz vor Weihnachten am ehesten im Kino auf ihre Kosten. Die Filmproduktionen aus der Reihe “Star Wars” waren in den vergangenen Jahren regelmäßig auf einen Kinostart in der zweiten Dezember-Hälfte angelegt. 2020 gehen die Freunde von George Lucas` Fantasy-Franchise leer aus, und das ist ausnahmsweise nicht der Coronakrise geschuldet. Der nächste Film war schon vor der Pandemie erst für den Dezember 2023 geplant.Investoren, die sich für den Orbit interessieren, müssen nicht so lange auf eine gute Weltall-Story warten. Denn private Unternehmen wie die US-Raketenfirma SpaceX treiben die Ökonomisierung des Weltraums voran. Dabei gehören Megatrends wie die Digitalisierung und der Klimawandel, die ohnehin in jedem Portfolio abgebildet werden müssen, zu den wichtigsten Treibern dieser New-Space-Ökonomie.Über Jahrzehnte war der Weltraum die Domäne staatlicher Akteure wie der US-Raumfahrtbehörde Nasa, der russischen Roskosmos oder der European Space Agency. Ausschlaggebend dafür waren die immensen Kosten aller Ambitionen im All. Doch in den vergangenen Jahren sind immer mehr private Firmen in diese Domäne eingebrochen und haben mit bahnbrechenden Innovationen die Kosten gedrückt. Das international bekannteste Beispiel ist SpaceX, die in diesem Jahr die erste bemannte Mission einer privaten Firma zur Internationalen Raumstation im Auftrag der Nasa erfolgreich gemeistert hat und zur Kostenreduktion auf wiederverwendbare Raketen setzt.Investoren haben die Pionierleistungen von SpaceX mit mehr als 5 Mrd. Dollar Risikokapital honoriert. Laut US-Medienberichten plant die Firma eine weitere Finanzierungsrunde, in der die Bewertung auf fast 100 Mrd. Dollar steigen könnte. Aber auch Start-ups aus Deutschland spielen mit, wie Isar Aerospace mit der bislang größten Finanzierungsrunde eines privaten Space-Tech-Unternehmens aus Europa unter Beweis gestellt hat. Die Münchner, die bei Investoren um die Schweizer Lakestar 75 Mill. Euro eingesammelt haben, arbeiten an einer kleinen Trägerrakete, die nach dem für 2021 geplanten Erststart Satelliten zu wettbewerbsfähigen Preisen und flexibel in den Low Earth Orbit transportieren soll.Ein günstiger Zugang zum All ist für die Entwicklung der New-Space-Ökonomie von so großer Bedeutung, dass Analysten auch vom “Lift in den Orbit” sprechen. Die Wirkung auf die Weltraumwirtschaft sei vergleichbar mit der des Lifts für den Städtebau. Anstelle einer Skyline aus atemberaubend hohen Wolkenkratzern könnten dank der mit Hilfe von privaten Firmen erreichten Kostensenkungen in der Raketen- und Satellitentechnologie mit diesem Lift in den nächsten Jahren ganze Satellitenkonstellationen bestehend aus vielen hundert Satelliten in erdnahe Umlaufbahnen katapultiert werden, die die gesamte Erdoberfläche ausleuchten.Das imposanteste Beispiel ist auch hier SpaceX, die mit dem Projekt Starlink in der nächsten Dekade bis zu 42 000 Satelliten in Stellung bringen will, um auch in entlegenen Regionen flächendeckende Versorgung mit Breitbandinternet anbieten zu können. Satellitenkonstellationen werden außerdem für die Erdbeobachtung eingesetzt und liefern Daten für wissenschaftliche sowie wirtschaftliche Zwecke. Dazu gehören etwa Echtzeitdaten zum Ausstoß von Treibhausgasen, die nicht nur von Klimaforschern, sondern zunehmend von Investoren nachgefragt werden. Start-ups wie die Berliner LiveEO nutzen Daten aus der Erdbeobachtung unter anderem dazu, um die Deutsche Bahn auf Behinderungen entlang ihrer Gleise zu informieren.Weil der Datenhunger weltweit rasant steigt und auch neue Technologien wie das autonome Fahren auf eine möglichst große Verfügbarkeit von Breitbandinternet angewiesen sind, wird der Ausbau des satellitengestützten Netzes nach Einschätzung von Analysten bis 2040 bis zu 70 % zum Wachstum der Raumfahrtwirtschaft beitragen, die bis dahin von derzeit 350 Mrd. Dollar auf mehr als 1 Bill. Dollar explodieren könnte.Um von dieser Entwicklung auch in Deutschland profitieren zu können, will ein Konsortium um den Bremer Satellitenhersteller OHB ein Spezialschiff zu einer Startrampe für kleine Trägerraketen umbauen. Spätestens 2023 sollen die ersten Microlauncher von diesem Offshore-Weltraumbahnhof in der Nordsee starten. Wenn der nächste Star-Wars-Film hierzulande in den Kinos anläuft, könnte der deutsche New-Space-Sektor also bereits über einen Lift in den Orbit auf eigenem Territorium verfügen. ——Von Stefan ParaviciniDie Ökonomisierung des Weltraums hat im Sog von Pionieren wie SpaceX Fahrt aufgenommen. Auch deutsche Unternehmen spielen mit.——