Ein Notenbanker namens Panikos
Gäbe es Stellenanzeigen für Notenbanker, käme in ihnen gewiss als ein Anforderungskriterium das Wort “unaufgeregt” vor. Denn einen maßgeblichen Teil seiner Arbeit verbringt der gemeine Geldpolitiker mit dem Versuch, die Aufregung und Nervosität an Märkten und Stammtischen durch beruhigende Botschaften zu zerstreuen. Entsprechend verharmlosend ist sein Vokabular. Es gibt in seinem Sprachschatz keine “Krisenstaaten”. Sondern allenfalls “Länder, die unter der besonderen Beobachtung der Märkte stehen”. Und wenn es irgendwo brenzlig wird, dann ist der professionelle Notenbanker nicht etwa “alarmiert”, sondern höchstens “wachsam”. Bei Weidmanns und Draghis “schrillt” kein Telefon, es “klingelt” nicht einmal, sondern es “läutet”. *In Zypern – dem Land, das in jüngster Vergangenheit wahrscheinlich häufiger in Zeitungen stand als die Vereinigten Staaten oder China, obwohl sein Bruttoinlandsprodukt nicht wesentlich höher liegt als das von Wiesbaden – ist das alles etwas anders. Glaubt man den heimischen Medien, so haben in Nikosia in den vergangenen Tagen der Präsident, die Minister, Abgeordnete des Parlaments und wohl auch der Notenbankchef sehr aufgeregt und aufgebracht miteinander verhandelt und gestritten. Aber ehrlich gesagt hätte man das nun wirklich ahnen können. Nomen est omen. Eine der zentralen Figuren im Parlament heißt immerhin wie jemand, der stets nur an sich selbst und die Seinigen denkt und in eigener Sache redet: Prodomos Prodomou. Und der Notenbankpräsident trägt den Namen Panikos Demetriades. Da ist man doch vorgewarnt. Das ist ungefähr so, als hieße der Bundesfinanzminister Verleihnix. *Das Gute an der ganzen Zypern-Saga – wenn man unbedingt etwas Gutes darin finden will – ist ja, dass die ständigen Nachrichten aus Nikosia wenigstens dazu beitragen, dass den Europäern Europa vertrauter wird. Hand aufs Herz: Wer wusste vorher, dass die Insel tatsächlich so weit östlich liegt – von uns aus gesehen noch einmal fast 1 000 Kilometer hinter Athen. Und sogar östlicher als Moskau. Und erst die Amerikaner: Viele von denen werden sicher zum ersten Mal überhaupt von der Inselrepublik gehört haben. Immerhin – und auch wenn das vielleicht ein gemeines Stereotyp ist – gelten ja gerade US-Bürger als schwach in Erdkunde oder haben – wie einst Heinz Erhardt formulierte – “wahrscheinlich in Geometrie nicht gut aufgepasst”. So berichten Österreicher in Brüssel bis heute darüber, dass sie von Amerikanern regelmäßig für Australier gehalten werden. Mich hat vor einigen Jahren ein US-Bürger gefragt, ob ich denn seinerzeit noch mit eigenen Augen die Mauer zwischen Nord- und Süddeutschland gesehen habe. Nein, tut mir leid, habe ich nicht.Bevor Sie allerdings über diese Wissenslücken ihre Häme ausschütten, testen Sie sich selbst einmal. Kennen Sie zum Beispiel alle europäischen Hauptstädte? Na klar? Wie heißt noch mal eben die von Litauen? Und die von Moldawien? Und die von Montenegro? *Dass Zypern Mitglied der Eurozone und der Europäischen Union bleibt, daran haben viele ein Interesse – unter anderem die hessische Landesregierung. Denn der geografische Mittelpunkt der EU ist durch die Osterweiterung der Union von Rheinland-Pfalz nach Hessen gerutscht – genauer gesagt in einen Stadtteil Gelnhausens. Den Beitritt Kroatiens kann Hessen in dieser Hinsicht prima verkraften, denn die Wiesbadener Landesgeografen haben bereits ausgerechnet, dass das Zentrum der EU in Hessen bleibt. Ein Ausscheren Zyperns aber hätte womöglich ähnlich weitreichende Verschiebungen zur Folge wie ein Beitritt der Türkei. Aber keine Bange, hessische Landesregierung: Beide Szenarien sind derzeit äußerst unwahrscheinlich. *Postscriptum: Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass die Hauptstadt von Litauen Vilnius ist, die von Moldawien Chisinau und die von Montenegro Podgorica.