USA

Ein Staatsbesuch mit großen Mängeln

Der Staatsbesuch des indischen Premierministers Narendra Modi bei US-Präsident Joe Biden soll den USA im Duell mit China den Rücken stärken. Gleichwohl sieht sich Biden wegen der Anwendung doppelter Maßstäbe berechtigter Kritik ausgesetzt.

Ein Staatsbesuch mit großen Mängeln

Ein Staatsbesuch mit großen Mängeln

Biden setzt auf Indien als Gegengewicht zu China – Investitionstätigkeit soll intensiviert werden

Der Staatsbesuch des indischen Premierministers Narendra Modi bei US-Präsident Joe Biden soll die strategische und wirtschaftliche Bedeutung der bilateralen Beziehungen unterstreichen. Die Visite illustriert aber auch, dass Biden dafür bereit ist, politische Prinzipien zu opfern.

det Washington

Im Jahr 2005 hatte Narendra Modi wegen der Unterdrückung religiöser Minderheiten in seiner Heimat kein Visum für die Einreise in die USA erhalten, 18 Jahre später ließ nun US-Präsident Joe Biden für den indischen Premierminister den roten Teppich ausrollen. Biden hofft, Indien als wirtschaftliches und politisches Gegengewicht zu seinem Nachbarn China aufzubauen, das vom Weißen Haus als der wichtigste geopolitische Rivale angesehen wird. Gleichwohl sieht sich Biden nun dem Vorwurf ausgesetzt, doppelte Maßstäbe anzuwenden. Schließlich hatte er seinen Vorgänger Donald Trump wegen dessen Anbiederung an autokratische Regierungschefs scharf kritisiert. Nun aber empfing er selbst einen Premier, unter dessen Führung Menschenrechtsverletzungen zur Tagesordnung gehören.

Ein Staatsbesuch mit allen protokollarischen Ehren, dessen Höhepunkt ein aufwendiges Dinner im Weißen Haus mit ranghohen Politikern, Konzernlenkern und Stars aus diversen Branchen ist, kommt selten vor. Bisher hatte Biden dieses Privileg nur zwei Gästen, nämlich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol, angedeihen lassen. Biden lobte Modi und bezeichnete das Verhältnis zu Indien als „eine der entscheidenden Beziehungen des 21. Jahrhunderts“. Sosehr er im Gegensatz zu Trump die Nähe zu den europäischen Nato-Verbündeten sucht und die transatlantischen Beziehungen zu pflegen versucht, hat der Präsident nämlich seit Jahren keinen Hehl daraus gemacht, dass er den Fokus der US-Politik auf den Indopazifik und den asiatisch-pazifischen Raum lenken will. 

Entsprechende Schwerpunkte hatte Biden schon als Stellvertreter des ehemaligen Präsidenten Barack Obama gesetzt, und heute ist der Präsident Vorsitzender der Asian-Pacific Economic Cooperation (Apec), der Indien auch gern beitreten würde. So ist das bevölkerungsreichste Land der Welt, dessen bilateraler Handelsüberschuss gegenüber den USA 2022 auf über 38 Mrd. Dollar stieg und sich damit in fünf Jahren fast verdoppelt hat, mittlerweile einer der zehn größten Handelspartner der Vereinigten Staaten. Dem Weißen Haus ist es ungeachtet des steigenden Defizits schon aus strategischen Gründen ein Anliegen, die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen weiter zu vertiefen.

Folglich wurde der Staatsbesuch auch von wichtigen Vereinbarungen begleitet. So kündigte Modi 2 Mrd. Dollar an neuen Investitionen in den USA an. Verstärkt werden soll vor allem die Kooperation in den Bereichen Raumfahrt und Technologie sowie bei militärischer Ausrüstung. So will der US-Konzern General Electric künftig in Indien Triebwerke für amerikanische Kampfflugzeuge fertigen lassen. Auch versprach Biden die Lieferung bewaffneter „Sky Guardian“-Drohnen, die von dem kalifornischen Rüstungskonzern General Atomics hergestellt werden.

Kritik an doppelten Maßstäben

So wichtig die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern auch sind, wurde Biden mit nachvollziehbarer Kritik konfrontiert, die sowohl von Republikanern als auch von seinen demokratischen Parteifreunden geübt wurde. Schließlich hatte er nach seinem Wahlsieg „den Kampf zwischen Demokratie und Autokratie“ als die wichtigste Auseinandersetzung dieser politischen Ära bezeichnet. Problematisch ist auch, dass Indien bei dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine eine neutrale Position einnimmt, sich von Moskau mit Waffen beliefern lässt und seit Kriegsbeginn mehr russisches Öl kauft und damit den Kreml zumindest indirekt unterstützt.  

Daran erinnerten ihn auch jene 70 Kongressmitglieder, die Biden in einem offenen Brief aufforderten, Menschenrechtsverletzungen unter Modi anzusprechen. „So sieht eben die Realität aus“, sagt Hal Brands, Professor der Politikwissenschaften an der Johns Hopkins University. „Jeder US-Präsident gelangt irgendwann zu der Erkenntnis, dass die Beziehungen zu einigen Ländern strategisch zu wichtig sind, um diese allein für demokratische Werte zu opfern.“

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