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Ein Umweltschützer für das EZB-Direktorium

Von Mark Schrörs, Frankfurt Börsen-Zeitung, 7.10.2020 Frank Elderson steht in einem Wald nahe seiner Heimatstadt Alkmaar, er trägt einen blauen Anzug samt grüner Krawatte und spricht über die Erderwärmung. Der Niederländer warnt, dass eine "grüne"...

Ein Umweltschützer für das EZB-Direktorium

Von Mark Schrörs, FrankfurtFrank Elderson steht in einem Wald nahe seiner Heimatstadt Alkmaar, er trägt einen blauen Anzug samt grüner Krawatte und spricht über die Erderwärmung. Der Niederländer warnt, dass eine “grüne” Strategie bei der wirtschaftlichen Erholung nach der Coronakrise die “allerletzte Chance” sein könnte, einen “katastrophalen Klimawandel” und die “Zerstörung des Planeten” zu verhindern. “Ich hoffe, es ist klar, dass wir Zentralbanker mit unseren grauen und dunkelblauen Anzügen grün sein können und werden”, schließt er seine Videobotschaft zur Jahrestagung der Umweltschutzorganisation WWF im Mai dieses Jahres, die auf Youtube zu finden ist. Unterstützung für LagardeDie Szene, die Videobotschaft – das sagt viel aus über jenen Mann, der nach dem Willen der Euro-Finanzminister Ende des Jahres ins Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) einziehen soll – und aller Voraussicht nach auch wird: Der 50-Jährige, der aktuell dem Direktorium der niederländischen Zentralbank angehört und die Bankenaufsicht des Landes leitet, setzt sich seit vielen Jahren leidenschaftlich für den Umweltschutz ein, er geht auch unkonventionelle Wege und pflegt eine klare, verständliche Sprache – vor allem aber sieht er eine zentrale Rolle für Aufseher und Zentralbanker im Kampf gegen die Klimakrise.EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die den Kampf gegen den Klimawandel zu einer Priorität der EZB machen möchte, dabei aber auch intern nicht nur auf Gegenliebe stößt, darf sich also auf einen starken Unterstützer ihrer Agenda freuen. Dass Elderson der Sprung ins Direktorium gelingt, ist sehr wahrscheinlich. Zwar kommt aus dem EU-Parlament harsche Kritik, weil die Abgeordneten generell mehr Frauen in EU-Toppositionen wollen und sie sich für den EZB-Job wenigstens eine Kandidatin gewünscht hätten. Aber das Parlament kann die Wahl allenfalls verzögern, nicht verhindern.Wie sehr Elderson dem Thema Umweltschutz verbunden ist, zeigt sich auch daran, dass er Mitgründer und seit 2018 Chairman des “Network for Greening the Financial System” (NGFS) ist, ein weltweites Netzwerk von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden, das sich für ein nachhaltigeres Finanzsystem starkmacht. Als das NGFS im April 2019 seinen ersten umfassenden Bericht unter der Überschrift “Ein Aufruf zum Handeln” veröffentlichte, schrieb Elderson im Vorwort, der Übergang zur grünen Wirtschaft sei “entscheidend für unser eigenes Überleben”. Neben dem Klimaschutz sieht Elderson auch im Verlust von Biodiversität eine Quelle finanzieller Risiken – und damit als Thema für die Zentralbanken, wie er in seiner WWF-Botschaft betonte.Neben dem Thema Klima ist es vor allem Eldersons Expertise im Bereich Bankenaufsicht, die auch in Notenbankkreisen hoch geschätzt wird. Nachdem er nach dem Jura-Studium in Amsterdam, Saragossa und New York seine Karriere 1995 als Anwalt bei Houthoff Advocaten & Notarissen in Amsterdam begonnen hatte, wechselte er 1999 zur niederländischen Zentralbank. Dort spezialisierte er sich auf die Bankenaufsicht. Seit 2011 leitet er die Aufsicht. Elderson gilt als treibende Kraft bei der Nutzung neuer Technologien wie künstlicher Intelligenz im Finanzsektor und in der Aufsicht. Er unterstützt auch die Debatte über die Einführung digitalen Zentralbankgelds.Wegen seiner langjährigen Erfahrung als Bankenaufseher wäre Elderson auch bestens geeignet, nicht nur den Posten des Luxemburgers Yves Mersch zu übernehmen, dessen achtjährige Amtszeit im EZB-Direktorium Mitte Dezember ausläuft, sondern auch Merschs Zuständigkeit als Vice Chairman der EZB-Bankenaufsicht SSM. Allerdings hätte bei dieser Zuständigkeit das EU-Parlament ein Vetorecht. Einige Abgeordnete drohen bereits, Elderson bei der Ernennung für den SSM durchfallen zu lassen. Ob es so kommt, wird sich vermutlich im Dezember zeigen.In Notenbankkreisen jedenfalls genießt Elderson großes Ansehen. Zentralbanker, die schon länger mit ihm zusammenarbeiten, beschreiben ihn als starken Kommunikator und als Brückenbauer. Im Umgang gilt er als freundlich, aber auch bestimmt. Elderson, der fließend Englisch und Spanisch spricht, gilt zudem als überzeugter Europäer. Verheiratet ist er mit einer Spanierin, mit der er zwei Kinder (18 und 21 Jahre) hat. Neben der Natur sind es die Literatur und die klassische Musik, die Elderson zu seinen Hobbys zählt. Da verwundert es auch nicht, dass er Vorsitzender einer Stiftung ist, die einen Geigenwettbewerb veranstaltet, und Aufsichtsrat einer anderen Stiftung, die das Lesen fördert. In seinen Reden finden sich oft Reminiszenzen an die Literatur und die Musik. Große FußstapfenDiese Reden haben sich bis zuletzt vor allem um Aufsicht, Regulierung und Klimawandel gedreht. Geldpolitisch dagegen gilt Elderson, der wie Lagarde und EZB-Vize Luis de Guindos sowie Mersch kein Ökonom ist, eher als unbeschriebenes Blatt – was wegen seiner bisherigen Funktion aber kaum überrascht. Generell gelten die Niederlande als Befürworter einer nicht zu aggressiven und aktivistischen Geldpolitik. Beobachter spekulieren, dass Elderson eine ähnliche Linie vertreten dürfte. Bei einer Ernennung würde er übrigens indirekt in große Fußstapfen treten: Er wäre der erste Niederländer im Direktorium seit dem Ausscheiden von Wim Duisenberg 2003 – seines Zeichens erster Präsident der EZB.