Ein verhängnisvoller Satz und seine Folgen

Von Stefan Reccius, Frankfurt Börsen-Zeitung, 14.3.2020 Christine Lagardes Feuertaufe als Präsidentin der Europäischen Zentralbank kam schneller als gedacht - und angesichts der dramatischen Lage rund um die Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie...

Ein verhängnisvoller Satz und seine Folgen

Von Stefan Reccius, FrankfurtChristine Lagardes Feuertaufe als Präsidentin der Europäischen Zentralbank kam schneller als gedacht – und angesichts der dramatischen Lage rund um die Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie hielt manch ein Beobachter schon ihren persönlichen “Whatever-it-takes”-Moment für denkbar. Es war dann tatsächlich ein Satz, der hängen blieb, allerdings mit unerwünschter Nebenwirkung: “Wir sind nicht hier, um Spreads zu schließen, das ist nicht die Funktion oder der Auftrag der EZB.”Daraufhin schossen die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen zeitweise so stark in die Höhe wie nie innerhalb eines Tages. Aus Italien kam Kritik, bis hinauf zu Premierminister Giuseppe Conte. Die EZB entschied, Lagardes Klarstellung gegenüber dem US-Sender CNBC im Anschluss an die Pressekonferenz ins offizielle Protokoll aufzunehmen: “Hohe Spreads aufgrund des Coronavirus beeinträchtigen die Transmission der Geldpolitik.” EZB-Chefvolkswirt Philip Lane nutzte ein neues Kommunikationsformat, um diese Botschaft zu untermauern. Am Freitag analysierte der Ire in einem Blogbeitrag auf der Homepage der EZB die geldpolitischen Beschlüsse. Auch schrieb er: Die EZB stehe bereit, alle Instrumente anzupassen, “um sicherzustellen, dass die erhöhten Spreads als Reaktion auf die schnellere Ausbreitung des Coronavirus die Transmission nicht untergraben”. Der Blog solle fortan regelmäßig dazu genutzt werden, die Geldpolitik der EZB näher zu erläutern, hieß es.Gegen die Wirkung von Lagardes Aussage verblasste das geldpolitische Erste-Hilfe-Paket mit neuen und verbesserten Refinanzierungsgeschäften und zusätzlichen Anleihekäufen über 120 Mrd. Euro. Bei Beobachtern stieß das Paket überwiegend auf Zustimmung. Die Börse wiederum konnte die EZB damit nicht beruhigen. Im Fokus aber stand Lagardes verhängnisvoller Satz. Am Freitag waren auch Notenbankerkollegen aus anderen Ländern bemüht, die Lage zu entschärfen. Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau sagte, die EZB werde mit aller Flexibilität gegen das Risiko einer Fragmentierung vorgehen. Sein italienischer Kollege Ignazio Visco sagte bei Bloomberg, die EZB könne den Kauf italienischer Staatsanleihen vorziehen. Ähnliches deutete Spaniens Notenbankchef Pablo Hernandez de Cos an.——Die EZB ist bemüht, Christine Lagardes irritierende Äußerung zu Spreads zurechtzurücken.——