Eine Aktivierung des ESM rückt näher

Breite Unterstützung in Eurogruppe für Kredite bis zu 2 Prozent des BIP - EZB wirbt für "Corona-Bonds"

Eine Aktivierung des ESM rückt näher

ahe/ms/wf Brüssel/Frankfurt/Berlin – Die Finanzminister der Euro-Staaten haben sich vorerst noch nicht auf das Aktivieren des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) verständigt. Ein grundsätzliches Einbeziehen des Eurorettungsfonds und das Nutzen seiner vorbeugenden Kreditlinien fand unter den Ministern aber eine “breite Unterstützung”, wie Eurogruppen-Chef Mario Centeno am Dienstagabend nach einer zweistündigen Videokonferenz sagte. “Wir sind uns weitgehend einig, dass die beträchtlichen Ressourcen des ESM zu unserer koordinierten Reaktion beitragen sollten”, schrieb Centeno gestern an EU-Ratspräsident Charles Michel. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen das Thema heute in einer Videokonferenz weiter beraten.Nach Angaben von Centeno sollen alle Euro-Staaten die ESM-Kreditlinie in Anspruch nehmen können und dies in einer Größenordnung von bis zu 2 % ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP). ESM-Chef Klaus Regling sagte, unter den Ministern habe es einen “breiten Konsens” über diesen Richtwert gegeben. Dies sei eine beträchtliche Summe, mit der die bisherigen fiskalischen Maßnahmen der Eurozone im Kampf gegen die Coronakrise verdoppelt werden könnten. Regling verwies darauf, dass unter den bestehenden Instrumenten des ESM die vorbeugenden Kreditlinien am besten dafür geeignet seien, auf die Corona-Herausforderung zu reagieren – insbesondere die sogenannte ECCL (Enhanced Conditions Credit Line). Der Stabilitätsmechanismus hat derzeit eine verfügbare Kreditkapazität von 410 Mrd. Euro, was 3,4 % des BIP der Eurozone entspricht. Streit um KonditionalitätenTrotz der grundsätzlichen Verständigung in der Eurogruppe über eine Einbeziehung des ESM gibt es weiter keine Einigung über die konkrete Ausgestaltung – insbesondere über die mit den Kreditlinien verbundenen Konditionen sowie über den Zeitpunkt einer Inanspruchnahme. Centeno verwies in seinem Brief an Michel darauf, dass er vorgeschlagen habe, “dass wir unverzüglich liefern und die notwendigen technischen Spezifikationen bis Ende nächster Woche entwickeln”. Insbesondere der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra warnte dagegen davor, den ESM bereits in der jetzigen Phase der Krise zu nutzen. Man wisse nicht, was noch vor einem liege. Hoekstra lehnt zudem ganz entschieden das Nutzen einer ESM-Kreditlinie ohne Auflagen ab. Gerade die Kombination aus Finanzierung und Reformen habe den ESM so erfolgreich gemacht, so Hoekstra, der sich damit auch gegen Forderungen aus Italien, Spanien oder auch Frankreich stemmte. ESM-Chef Regling sagte dazu, die Mittel müssten zur Finanzierung der unmittelbaren Gesundheitsversorgung und der wirtschaftlichen Reaktionen des Landes auf die Krise verwendet werden. Das werde auch der Schwerpunkt der Bedingungen werden.Unterstützung für eine Aktivierung des ESM kommt aus der Europäischen Zentralbank (EZB). Ein solcher Schritt könne ein Beitrag sein, zu zeigen, dass es auch eine europäische Antwort auf die Krise gibt, heißt es in Notenbankkreisen. Eine Einbeziehung des ESM könnte es zudem der EZB ermöglichen, ihr 2012 aufgelegtes und nie genutztes Staatsanleihekaufprogramm OMT zu aktivieren, das explizit Käufe von Anleihen einzelner Euro-Länder vorsieht. Allerdings halten zumindest einige Notenbanker OMT fast schon für überholt durch das neue Pandemie-Notfallankaufprogramm PEPP, das praktischer und flexibler sei. Berlin gegen EurobondsDie EZB wirbt darüber hinaus auch für sogenannte Corona-Bonds. Wie die Börsen-Zeitung bereits zu Wochenbeginn aus Notenbankkreisen erfahren hatte, trommelt auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde persönlich bei EU-Beratungen für solche Bonds (vgl. BZ vom 24. März). Bei der Videokonferenz der Euro-Finanzminister am Dienstagabend erneuerte sie ihr Plädoyer.Die Bundesregierung steht bei Eurobonds auch in der Corona-Pandemie dagegen auf der Bremse. Mit dem ESM gebe es glücklicherweise ein Instrument zur Finanzierung, sagt ein Sprecher. Falls nötig, könne der ESM in seinen bestehenden Regeln agieren. Es sei weiterhin notwendig, Haftung und Kontrolle in einer Hand zu belassen.