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Eine Bulgarin vor dem Sprung an die IWF-Spitze

Von Andreas Heitker, Brüssel Börsen-Zeitung, 6.8.2019 Im EU-internen Rennen um die Kandidatur für den IWF-Chefsessel hat sich Kristalina Georgiewa knapp gegen den Niederländer Jeroen Dijsselbloem durchgesetzt. Die Bulgarin soll damit Christine...

Eine Bulgarin vor dem Sprung an die IWF-Spitze

Von Andreas Heitker, BrüsselIm EU-internen Rennen um die Kandidatur für den IWF-Chefsessel hat sich Kristalina Georgiewa knapp gegen den Niederländer Jeroen Dijsselbloem durchgesetzt. Die Bulgarin soll damit Christine Lagarde beerben, die an die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) rückt. Georgiewa ist seit Anfang 2017 Geschäftsführerin der Weltbank. Dieses Amt will sie bis zum Abschluss des Auswahlverfahrens vorerst ruhen lassen.Zu 100 % gesichert ist ihr neuer Job auch noch nicht, was vor allem am Alter der Ökonomin liegt: Georgiewa wird am 13. August 66 Jahre. Nach den Statuten des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist das eigentlich zu alt. Eine Mehrheit im Gouverneursrat kann die Grenze von 65 Jahren allerdings aufheben. Die USA sollen bereits Zustimmung signalisiert haben – im Gegensatz zu einigen Schwellenländern, die auch die Tradition, wonach der IWF-Chefposten immer an die Europäer geht, in Frage stellen.In dem von Frankreich organisierten Auswahlverfahren hatten der finnische Zentralbankchef Olli Rehn, Eurogruppen-Chef Mario Centeno aus Portugal sowie die spanische Finanzministerin Nadia Calviño ihre Kandidaturen zurückgezogen, so dass nur noch Georgiewa und Dijsselbloem übrig geblieben waren. Die Bundesregierung soll sich für den früheren Eurogruppen-Präsidenten starkgemacht haben, Frankreich und zahlreiche Südeuropäer für die Ex-EU-Kommissarin.Georgiewa war in der letzten Zeit auch schon für verschiedene andere hochrangige Positionen in der EU im Gespräch gewesen, unter anderem für Präsidentenposten im EU-Rat und in der Europäischen Kommission. Dass Osteuropa in dem jüngsten Poker um europäische Top-Jobs gänzlich leer ausgegangen war, half ihr jetzt sicherlich. Wie Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Diplomaten berichteten, soll sie zwar eine Mehrheit in der EU-internen Abstimmung erhalten haben, aber keine sogenannte qualifizierte Mehrheit, die eine Zustimmung von mindestens 55 % der Mitgliedsländer und 65 % der rund 500 Millionen EU-Bürger bedeutet.Georgiewa ist in Zeiten des Kalten Krieges und des Kommunismus in ihrem Land in einfachen Verhältnissen in der bulgarischen Provinz aufgewachsen. Sie sei oft um vier Uhr morgens aufgestanden und habe sich in der Schlange angestellt, um frische Milch zu bekommen, erzählte sie in einem Interview. Ihre Großeltern, schrieb sie auf Twitter, hätten sehr wenig Bildung gehabt. Sie sei die Erste in der Familie gewesen, die es zu einem Doktortitel schaffte. Dass ihre berufliche Karriere die Familie und sie selbst stolz machte, hat sie nie verschwiegen.Georgiewa studierte politische Ökonomie und Soziologie und promovierte in Wirtschaftswissenschaften. Sie unterrichtete dann zunächst an der Universität für National- und Weltwirtschaft Sofia und später an der Yale und der Harvard University sowie der London School of Economics. Ihr thematischer Schwerpunkt lag in der Umweltwirtschaft. 1993 wechselte sie dann zum ersten Mal zur Weltbank, wo sie bis 2008 zur Vizepräsidentin aufstieg. Anfang 2010 ging es dann nach Brüssel: Georgiewa wurde EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe unter Kommissionschef José Manuel Barroso. Unter dessen Nachfolger Jean-Claude Juncker wurde sie dann Vizepräsidentin und übernahm bis Ende 2016 die Zuständigkeit für den milliardenschweren EU-Haushalt. Dann folgte Georgiewa ein zweites Mal dem Ruf der Weltbank.Die verheiratete Mutter eines Kindes gilt nicht nur als fachlich hoch qualifiziert, sondern auch als durchsetzungsstark, hartnäckig und energisch. Georgiewa hat sich den Ruf einer geschickten Verhandlerin erarbeitet, der es in den EU-Haushaltsverhandlungen gelungen ist, Konsens herstellen. Juncker ist dies wohl noch in guter Erinnerung. Bei seiner Gratulation twitterte er, Georgiewa verfüge “über alle Qualitäten, um einen wirksamen Beitrag zur Mission des IWF zu leisten”.