Eine Goethe-Professorin für Macrons Expertenkommission
rec – Yale, Harvard, Stanford: Die Vita von Nicola Fuchs-Schündeln ist gespickt mit einigen der angesehensten Adressen in den Wirtschaftswissenschaften. Nun kommt ein weiterer Eintrag hinzu: Die Volkswirtin, die seit 2009 die Professur für Makroökonomie und Entwicklung an der Frankfurter Goethe-Universität innehat, ist in eine Expertenkommission berufen worden, die Frankreichs Regierung in den großen Fragen unserer Zeit beraten soll – Klimawandel, Alterung der Gesellschaft und soziale Ungleichheit.Präsident Emmanuel Macron setzt auf Wirtschaftsnobelpreisträger wie Jean Tirole, der mit dem früheren IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard die Arbeit der Expertengruppe leitet, und Paul Krugman. Andere prominente Namen in dem 24-köpfigen Gremium sind Laurence Boone, Chefvolkswirtin des Industrieländerklubs OECD, oder Dani Rodrik, Experte für die Themen Globalisierung und Ungleichheit.Verstecken muss Fuchs-Schündeln sich in diesem Kreis nicht. Auch wenn sie sich anders als mancher Kollege mit schmissigen Statements in der Öffentlichkeit zurückhält, hat ihr Wort in der Zunft Gewicht. Seit vorigem Jahr ist sie Vorsitzende der Ökonomenvereinigung Verein für Socialpolitik (VfS). In dieser Funktion macht sich die Mutter von drei Kindern vor allem für die Belange junger Wissenschaftlerinnen stark. Sie ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums, auch für den Rat der Wirtschaftsweisen wurde ihr Name gehandelt. Mit dem Gossen-Preis des VfS für Nachwuchsökonomen, dem Leibniz-Preis und einem mit 1,6 Mill. Euro dotierten europäischen Forschungsstipendium hat sie einige der bedeutendsten Auszeichnungen in der Branche erhalten.Hinweise auf derartige Meriten suchen Gäste in ihrem Büro im House of Finance auf dem Campus der Goethe-Uni vergeblich. Ein Schreibtisch mit Computer samt Zugang zu Datenarchiven und Fachzeitschriften – viel mehr braucht sie für ihre Arbeit nicht. Der französischen Regierung ist sie vor allem durch ihre Beiträge zum Spar- und Konsumverhalten privater Haushalte aufgefallen. Auch Fragen zu Teilhabe und Erfolg am Arbeitsmarkt widmet sie sich. Einer Denkschule will sie sich dabei partout nicht zuordnen lassen. Was ihr manch alteingesessener Kollege als Schwäche auslegen mag, kontert Fuchs-Schündeln mit ihrer Herangehensweise: Sie lasse stets “zuerst die Daten sprechen”. Und wer sie fragt, ob nach ihrer Promotion in Yale und einer fünfjährigen Assistenzprofessur in Harvard der Wechsel nach Frankfurt rückblickend ein Karrieresprung war, erntet ein Lachen: “Ein Aufstieg von Harvard ist schwierig.”