STEUERPOLITIK

Eine historische Gelegenheit

Für EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker war es gestern kein besonders schwerer Gang. Beim Auftritt vor dem Sonderausschuss des EU-Parlaments in Sachen Lux Leaks präsentierte er sich wie erwartet selbstbewusst. Für jene, die sich einen in die Ecke...

Eine historische Gelegenheit

Für EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker war es gestern kein besonders schwerer Gang. Beim Auftritt vor dem Sonderausschuss des EU-Parlaments in Sachen Lux Leaks präsentierte er sich wie erwartet selbstbewusst. Für jene, die sich einen in die Ecke gedrängten EU-Kommissionschef gewünscht hatten, war Junckers gestriger Gastauftritt im Parlament daher gewiss eine Enttäuschung.Wem es indes – jenseits parteipolitischer Strategie – um die Sache geht, der darf sich ermuntert fühlen. Denn die Aussagen und Ansagen von Juncker und EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici bestätigen, dass derzeit eine historische Gelegenheit besteht, um tatsächliche Fortschritte im Kampf gegen aggressive Steuervermeidung internationaler Unternehmen zu erreichen. Ironie der Geschichte ist nämlich, dass die politische Verarbeitung von Lux Leaks ausgerechnet in die luxemburgische Ratspräsidentschaft unter einem luxemburgischen EU-Kommissionschef fällt – das Beste, was sich die Fürsprecher wirksamer Reformen wünschen können.Denn Juncker steht ebenso wie Luxemburgs Premier Xavier Bettel und Finanzminister Pierre Gramegna unter starkem öffentlichen Druck, vorzeigbare Ergebnisse zu liefern. Gelingt bis Jahresende nicht die Einigung auf den automatischen Informationsaustausch über Steuervorbescheide, stehen alle drei unter dem Verdacht, die Sache gebremst zu haben. Kann EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager nicht spätestens im November einen Beihilfenfall – wahrscheinlich gegen Irland wegen Apple – abschließen, wird man Juncker vorwerfen, er hintertreibe das Verfahren.Am Wichtigsten aber ist, dass sich Juncker und seine EU-Kommission aus Gründen der eigenen Glaubwürdigkeit für die wirkungsvollste Waffe gegen Steuervermeider starkmachen müssen – nämlich die länderspezifische Berichterstattung. Moscovici hat gestern – obwohl es dagegen Widerstände sogar innerhalb der EU-Kommission gibt – öffentlich noch einmal beteuert, dass er dafür ist, Country-by-Country Reporting einzuführen.Dieses erneute Bekenntnis ist wichtig. Denn da es äußerst unpopulär ist, sich öffentlich dagegenzustellen, rückt die Pflicht zur differenzierten Ausweisung von Umsatz, Gewinn und Steuerlast mit jeder Ankündigung aus Brüssel näher. Und wenn tatsächlich demnächst die Country-by-Country-Transparenz verlangt wird, haben endlich all jene ein echtes Problem, die Erlöse und Erträge in Länder verlagern, in denen sie nur ein kleines Büro mit großem Briefkasten unterhalten.