GASTBEITRAG

Eine monetaristische Antwort auf den Corona-Schock

Börsen-Zeitung, 26.3.2020 Für eine stabile Währung ist es notwendig, dass die Zentralbank das Wachstum der Geldmenge, das heißt des Geldangebots, am Wachstum der Geldnachfrage der Wirtschaftssubjekte ausrichtet. Das Wachstum der Geldnachfrage hängt...

Eine monetaristische Antwort auf den Corona-Schock

Für eine stabile Währung ist es notwendig, dass die Zentralbank das Wachstum der Geldmenge, das heißt des Geldangebots, am Wachstum der Geldnachfrage der Wirtschaftssubjekte ausrichtet. Das Wachstum der Geldnachfrage hängt im Wesentlichen vom langfristigen Wachstum der Wirtschaft, des Bruttoinlandsprodukts (BIP), ab. Da die Corona-Pandemie das Wachstum des BIP nicht erhöht, sondern vorübergehend schwächt, kann sie insofern kein Grund sein, die Geldmengenexpansion zu beschleunigen. Die neue “Bazooka” der Europäischen Zentralbank (EZB), das mindestens 750 Mrd. Euro umfassende “Pandemic Emergency Purchase Programme” (PEPP), ist verfehlt. Es macht keinen Sinn, die Güternachfrage stimulieren zu wollen, wenn das Problem darin besteht, dass nicht mehr so viel produziert werden kann wie bisher. Anstatt in operative Hektik und monetäre Staatsfinanzierung zu verfallen, sollte die EZB durch eine Geldpolitik der ruhigen Hand Vertrauen schaffen. Sie könnte sich auf die zweite Säule ihrer ursprünglichen geldpolitischen Strategie besinnen: ein Geldmengenwachstum (M3) von 4,5 %. Davon war sie in den vergangenen Monaten nicht weit entfernt.Der Corona-Schock ist kein Nachfrageschock, sondern ein Angebotsschock: Wie bei einer schlechten Ernte oder einer Überschwemmung geht die Güterproduktion vorübergehend zurück. Zwar ergeben sich im Anpassungsprozess auch Nachfrageänderungen, aber diese sind nicht das Problem. Da der Schock nicht von der Nachfrage ausgeht, liegt keine keynesianische Situation vor, und es bedarf keiner keynesianischen Instrumente. Notwendig ist nicht eine Steuerung der Güternachfrage, sondern Angebotspolitik zur langfristigen Erhaltung rentabler Produktionskapazitäten. Die Aufgabe des Staates besteht in dieser Situation darin, als “Versicherung der letzten Instanz” einen großen Teil der Schäden, das heißt der Verluste, auszugleichen und als Sozialstaat denen, die unverschuldet in schwere Not geraten sind, zu helfen. Effizienz und Solidarität gehen hier Hand in Hand. Befristete Maßnahmen nötigWie soll der Staat diese Versicherungsleistungen finanzieren? Nach dem, was über die Geldpolitik gesagt wurde, ist klar: Nicht über die Notenpresse, denn für ein erhöhtes Geldmengenwachstum gibt es keinen Grund. Für ein zusätzliches Geldangebot gibt es keine (Geld-)Nachfrage. Der negative Güterangebotsschock der Pandemie und die Erhöhung der Staatsausgaben sind vorübergehend. Deshalb muss auch die Erhöhung der Staatseinnahmen vorübergehend sein. Das heißt: keine neue Steuer, die dann – wie der Solidaritätszuschlag – nicht vollständig wieder abgeschafft werden kann. Für den Ausgleich eines temporären Schocks geeigneter ist eine vorübergehend höhere Staatsverschuldung. Aber ein solches “Deficit Spending” ist nicht keynesianisch zu begründen, sondern nur angebotspolitisch.Vor allem auf der Ebene der Europäischen Union ist zu befürchten, dass zur Bewältigung des vorübergehenden Schocks neue Institutionen geschaffen werden, die zwar kurzfristig die Krise lindern, aber auf Dauer wegen ihrer problematischen Anreizwirkungen schädlich sind. So war es schon 2008 und 2010. Schon jetzt wird zum Beispiel der Ruf nach Euro-Bonds wieder laut. Auch in Brüssel muss der Grundsatz gelten: Nur vorübergehende, das heißt befristete Maßnahmen zur Lösung vorübergehender Probleme.Roland Vaubel, em. Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Mannheim, Mitglied des Wissenschaftl. Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium