Einheitswerte unter Beschuss

Karlsruhe bezweifelt Verfassungsmäßigkeit - Länder werben für Übergang zur Anpassung der Grundsteuer

Einheitswerte unter Beschuss

Die Einheitswerte von Immobilien als Basis zur Berechnung der Grundsteuer wackeln. Das Bundesverfassungsgericht bemängelt die veralteten Werte und kritisiert Versäumnisse des Gesetzgebers.wf Berlin – Knapp 14 Mrd. Euro jährliche Einnahmen der Kommunen aus der Grundsteuer stehen auf dem Spiel. Aber auch Grundstücks- und Immobilieneigentümer sowie Mieter sind betroffen – die Eigentümer als Steuerschuldner, die Mieter über die Nebenkosten, auf die die Steuer umgelegt werden darf. Das Bundesverfassungsgericht hat Zweifel geäußert, dass die seit Jahrzehnten unveränderte Basis zur Erhebung der Grundsteuer mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wie die Nachrichtenagentur Reuters aus Karlsruhe berichtete.Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelte dort mündlich über drei Richtervorlagen des Bundesfinanzhofs sowie über zwei Verfassungsbeschwerden zur Einheitsbewertung. Der Bundesfinanzhof hatte die Einheitswerte als verfassungswidrig eingestuft und dies dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.Die Einheitswerte sind Basis für die Berechnung der Grundsteuer. Im Westen Deutschlands sind sie 1964 zuletzt angepasst worden, im Osten 1935. “Zwischen 1964 und heute, da liegen Welten dazwischen”, sagte Verfassungsrichter Andreas Paulus in der mündlichen Verhandlung laut Reuters. Vizepräsident Ferdinand Kirchhof kritisierte, dass der Gesetzgeber 1964 eine Neubewertung nach sechs Jahren vorgesehen habe, um die Einheitswerte an die Wertentwicklung anzupassen. Darauf habe er jedoch 1970 verzichtet – und sei bis heute untätig geblieben. Damit stehe eine vergleichbare Bewertung wohl in Frage, sagte Kirchhof.Der Bund übte sich in Karlsruhe in Rettungsversuchen. Der Parlamentarische Finanzstaatssekretär Michael Meister verwies auf den enormen Zeit- und Personalaufwand, den eine flächendeckende Neuerhebung erfordern würde. Zudem sei das Aufkommen der Grundsteuer etwa im Vergleich zur Einkommensteuer von mehr als 200 Mrd. Euro eher gering. Die Bundesländer prognostizieren, dass eine Neubewertung aller Grundstücke und Immobilien rund sechs Jahre dauern würde. Sie appellierten zudem an das Gericht, im Fall der Verfassungswidrigkeit eine ausreichende Übergangsfrist zur Anpassung der Werte einzuräumen. Für Steuerausfälle bei den Kommunen, die aus dem Urteil resultieren könnten, sieht Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) den Bund in der Pflicht.Der Industrieverband BDI forderte den Gesetzgeber auf, die Grundsteuer zügig und aufkommensneutral zu reformieren. Hauptgeschäftsführer Joachim Lang verlangte für die Wirtschaft eine “effiziente und verfassungsfeste Grundsteuer”. Um den Aufwand für die Neubewertung von rund 35 Millionen Grundstücken zu vermeiden, plädiert der BDI für das Modell der “Südländer” unter den Bundesländern. Das Modell verzichtet auf eine Bewertung und zieht im Wesentlichen Grundstücks- und Gebäudegrößen als Berechnungsbasis heran. Niedersachsen und Hessen haben indessen ein Modell eingebracht, das die Werte aus den Herstellungskosten ableitet. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist in drei bis vier Monaten zu erwarten.