Endspiel für TTIP
Die Plakate hängen schon. In Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Leipzig und Stuttgart wird am 17. September wieder ein breites Bündnis gegen die europäische Handelspolitik auf die Straße gehen. Motto: “Stop Ceta TTIP.” Weit mehr als 100 000 Demonstranten werden in den sieben Städten erwartet. Umweltgruppen beteiligen sich ebenso wie Gewerkschaften, Kulturverbände und Parteien. Ob Mieterbund, Katholische Arbeitnehmerbewegung oder LobbyControl – die Ablehnung der von Brüssel geplanten Freihandelsabkommen eint die unterschiedlichsten Interessen. Selten gab es in den letzten Jahren in Deutschland eine solch breite gesellschaftliche Protestbewegung. Und wohl noch nie haben Handelsabkommen die Menschen derart bewegt und verängstigt.Der Zeitpunkt der Großdemonstrationen ist gut gewählt, stehen in den kommenden Wochen doch entscheidende Weichenstellungen an – sowohl bei der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) mit den USA als auch bei dem umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (Ceta) mit Kanada. Nur zwei Tage nach den Demos entscheidet in Wolfsburg ein Konvent der SPD über die Parteilinie bei Ceta. In der gleichen Woche diskutieren die europäischen Handelsminister in Bratislava die Abkommen, die dann auch Thema auf dem kurze Zeit später anstehenden EU-Gipfel werden. Im Oktober möchte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström Ceta am liebsten schon endgültig besiegelt wissen.Von der Unterschriftsreife ist TTIP dagegen weit entfernt. Die 14. Verhandlungsrunde zwischen der EU und den USA Mitte Juli hat noch einmal mehr als deutlich gemacht, dass die Verständigungsbasis auch drei Jahre nach dem Start der Gespräche mehr als fragil ist. Die Verhandlungsführer beider Seiten versuchen zwar weiterhin, Optimismus zu verbreiten. Und die EU-Kommission sowie die Bundesregierung halten offiziell auch noch an dem Ziel fest, die Verhandlungen noch in der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama abzuschließen. Doch dies erscheint mehr und mehr illusorisch. In kaum einem der kritischen Punkte gibt es zurzeit Annäherungen. Oder, um es mit den Worten von Bernd Lange, dem Vorsitzenden des Handelsausschusses im Europaparlament, zu sagen: “Die Liste der offenen Punkte reicht bis zum Mond.”Zu dieser Liste gehört zum Beispiel das für die Europäer so wichtige Thema Investitionsschutz. Auf die im Juli von EU-Seite vorgeschlagene Gründung eines eigenen Gerichtshofes mit Berufsrichtern wollen sich die USA, die weiterhin auf private Schiedsgerichte setzen, nicht einlassen. Der Abbau von Zöllen gestaltet sich gerade im Agrarbereich schwierig, und einen echten Zugang zum öffentlichen Beschaffungsmarkt haben die Europäer den Amerikanern auch noch nicht abgerungen.Beide Seiten bemühen sich weiter. Auch aktuell werden die Arbeiten am TTIP-Projekt auf technischer Ebene fortgesetzt. Handelskommissarin Malmström und der US-Handelsbeauftragte Michael Froman treffen sich regelmäßig, um eine Einigung auszuloten. Und eigentlich soll es noch vor der US-Präsidentenwahl noch eine weitere offizielle Verhandlungsrunde geben. Aber wie man es auch dreht und wendet: Eine inhaltliche Verständigung auf ein Abkommen, das die größte Freihandelszone der Welt begründen würde, ist einfach nicht absehbar. Dass in wenigen Monaten mit dem Wechsel im Weißen Haus in Washington absehbar auch ein stärkerer Protektionismus in die US-Politik einzieht, verbessert die Aussichten nicht unbedingt. TTIP hat eigentlich keine Chance mehr. Dies wird mittlerweile hinter vorgehaltener Hand selbst auf den Fluren der EU-Kommission so bestätigt.Bei Ceta ist die Situation ganz anders. Die Ende 2015 angetretene neue Regierung unter Premierminister Justin Trudeau wollte das Abkommen mit den Europäern unbedingt und ist auf die wesentlichen Forderungen aus Brüssel auch eingegangen. Ob beim Thema Investitionsgerichtshof, den Sozial- und Umweltstandards oder auch der Aufrechterhaltung der parlamentarischen Entscheidungsfreiheiten – das Abkommen, das nun auf dem Tisch liegt, bietet nur wenig Angriffsflächen und könnte aus europäischer Sicht theoretisch auch für TTIP als Blaupause gelten. Allerdings ist Ceta mit in den Sog der TTIP-Fundamentalopposition und der allgemein grassierenden EU-Skepsis gezogen worden. Dem Abkommen müssen nun mehr als 40 nationale und regionale Parlamente zustimmen. Dass dies gelingt, ist ebenfalls mehr als fraglich.——–Von Andreas Heitker TTIP provoziert Proteste. Auch inhaltlich finden die Verhandlungspartner aus den USA und Europa nicht zusammen. Das Abkommen hat kaum noch eine Chance.——-