Ifo-Geschäftsklima

Engpässe bremsen auch den Handel

Auf den deutschen Chefetagen herrscht im Oktober der Herbstblues. Das Ifo-Geschäftsklima ist den vierten Monat in Folge gefallen, die Engpässe schlagen auf den Handel durch, und die Corona-Sorgen nehmen wieder zu.

Engpässe bremsen auch den Handel

ba Frankfurt

Die Knappheitsprobleme und hohe Energiekosten sorgen im Oktober für einen erneuten Stimmungsdämpfer in den deutschen Chefetagen. Mittlerweile zeigen sich die Auswirkungen der Logistikprobleme und Materialknappheiten nicht mehr nur in der Industrie, sondern auch im Handel. Und dies ausgerechnet zu einer Zeit, in der das umsatzstarke Weihnachtsgeschäft vor der Tür steht. Damit bestätigt das Ergebnis der Ifo-Umfrage zum Geschäftsklima wie schon zuvor der Einkaufsmanagerindex sowie die Umfragen von ZEW und Sentix, dass die Erholungsbewegung der hiesigen Wirtschaft im Schlussquartal zum Erliegen kommt.

Im Sommer sollte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) „noch leicht stärker gestiegen sein“ als im Frühjahr mit 1,6%, schreibt die Bundesbank in ihrem Monatsbericht Oktober. Am Freitag veröffentlicht das Statistische Bundesamt eine erste Schnellschätzung für die Entwicklung im dritten Quartal. Ökonomen erwarten ein Plus von um die 2%; im vierten Quartal läuft es wohl auf eine Stagnation hinaus. Dass das Vorkrisenniveau bereits zum Jahresende erreicht wird, gilt aber wegen der anhaltenden Probleme zunehmend als unwahrscheinlich. „Im Jahr 2021 insgesamt dürfte das BIP deutlich weniger zulegen als in der Juni-Projektion erwartet“, so die Bundesbank-Ökonomen – das waren 3,7%.

Das Ifo-Geschäftsklima ist im Oktober um 1,2 auf 97,7 Punkte gefallen. Ökonomen hatten den vierten Rücksetzer in Folge in dieser Größenordnung erwartet. Mit Ausnahme des Baugewerbes zeigte sich die Stimmungseintrübung in allen Bereichen. „Sand im Getriebe der deutschen Wirtschaft hemmt die Erholung“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Lieferprobleme machten den Firmen zu schaffen. Infolgedessen sank die Kapazitätsauslastung in der Industrie um 2,1 Prozentpunkte auf 84,7%. Besonders deutlich werde das in der Autobranche, der etwa Halbleiter fehlen, erklärte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. Hier sei die Kapazitätsauslastung von 85,2 auf 78,2% zurückgegangen – ein Wert, der Deka-Volkswirt Andreas Scheuerle zufolge sonst nur in Rezessionen erreicht werde. „Der Druck auf die Preise bleibt bestehen“, sagte Wohlrabe. In der Industrie etwa wolle rund jedes zweite Unternehmen an der Preisschraube drehen. „Das ist ein Rekordwert“. Auch mehr als jeder zweite Einzelhändler strebe Preiserhöhungen an.

Zudem werde „nicht jedes Weihnachtsgeschenk lieferbar sein“, denn die Materialengpässe kämen zunehmend auch im Handel an, erklärte Wohlrabe. „Wichtig ist jetzt, dass die privaten Haushalte sich durch den Dauerbeschuss mit schlechten Nachrichten nicht total verunsichern lassen und dadurch die Nachfrage einbricht“, mahnte Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Neben den rekordhohen Auftragsbeständen der Industrie setzen Ökonomen auf einen Schub, wenn die privaten Haushalte einen Teil der in der Pandemie aufgebauten Zwangsersparnis ausgeben. Allerdings, sagt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib, verlagere sich mit Beginn der kalten Jahreszeit das Leben wieder mehr in die Innenräume, „weshalb sich vorsichtigere Menschen angesichts der anhaltenden Pandemie bei kontaktintensiven Dienstleistungen freiwillig zurückhalten könnten“. Sobald die angebotsseitigen Verwerfungen abebben, erwartet sie einen „kräftigen Wachstumsschub im Verlauf von 2022“ – die Erholung sei aufgeschoben.

Gute Ausgangslage

Auch Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, sieht die Ausgangslage günstig: „Die Auftragsbücher in der Industrie sind voll, und damit bleiben auch die Beschäftigungsaussichten gut.“ Die hohen Energiekosten seien aber eine weitere Bürde sowohl für die Konsumenten als auch die Indus­trie. „Die massiv gestiegenen Gas- und Strompreise werden zu einem konjunkturellen Risiko.“ Betriebe, die zum aktuellen Gaspreis einkaufen müssten, kämen nun ins Schleudern.

Deka-Volkswirt Scheuerle sieht in den gestern veröffentlichten Ifo-Daten einen „Dreiklang in Moll: Lieferengpässe, Energiepreise, Corona.“ Jedes Problem sei für sich genommen belastend, „doch die beiden letzten können das Lieferkettenproblem sogar noch zusätzlich verschärfen“. Weiteres Ungemach sieht auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Die Unternehmen ahnen, dass die Politiker auf die stark steigenden Corona-Infektionen mit neuen Beschränkungen reagieren werden. Außerdem führt die neue Coronawelle vor allem in Asien zu Fabrikschließungen, was den Materialmangel hierzulande verschärfen wird.“