NOTIERT IN PARIS

Entscheidungen mit weitreichenden Folgen

Die Rückkehr aus der Sommerpause ist für Frankreichs jungen Präsidenten bisher alles andere als gut gelaufen. Erst musste seine Regierung zugeben, dass ihr Defizitziel angesichts der deutlichen Wachstumsabschwächung nicht einzuhalten ist. Dann trat...

Entscheidungen mit weitreichenden Folgen

Die Rückkehr aus der Sommerpause ist für Frankreichs jungen Präsidenten bisher alles andere als gut gelaufen. Erst musste seine Regierung zugeben, dass ihr Defizitziel angesichts der deutlichen Wachstumsabschwächung nicht einzuhalten ist. Dann trat der beliebte Umweltminister Nicolas Hulot zurück, weil er sich in Sachen Umweltschutz häufig ziemlich allein gelassen fühlte. Sonntag meldete sich auch noch der Ökonom Jean Pisani-Ferry zu Wort und forderte, Emmanuel Macron müsse seine Methode ändern. Die Kritik Pisani-Ferrys ist umso bemerkenswerter, als er hinter dem wirtschaftspolitischen Teil von Macrons Wahlkampfprogramm steckt. Der junge Präsident müsse die nächsten Reformen offener gestalten und dafür sorgen, dass die Franzosen selber zu Akteuren der Umwandlung ihrer Gesellschaft würden, meint er.Das schwächelnde Wachstum, der Rücktritt Hulots und die Kritik Pisani-Ferrys erhöhen den Druck auf Macron. Auch deshalb überlegt er inzwischen, ob die mit großem Aufwand vorbereitete Umstellung des Steuersystems nach dem Vorbild Deutschlands nochmals verschoben oder sogar ganz fallengelassen werden sollte. Die sozialistische Regierung von Ex-Präsident François Hollande hatte eigentlich beschlossen, bereits ab diesem Jahr die Einkommensteuer direkt an der Quelle abzuführen anstatt sie wie bisher im Herbst für das Vorjahr zu erheben. Doch nach dem Amtsantritt Macrons hatte die neue Regierung das Vorhaben um ein Jahr auf Anfang 2019 verschoben, um es besser vorbereiten zu können. Zudem gab es sowohl bei Unternehmen, welche die Einkommensteuer künftig an den Fiskus abführen sollen, als auch bei den Steuerbehörden Vorbehalte.Die bestehen nach wie vor: Sowohl Arbeitgeber als auch Gewerkschaften lehnen die geplante Umstellung noch immer ab. Neben technischen Problemen fürchtet die Regierung nun vor allem, dass die Abführung der Einkommensteuer direkt an der Quelle eine psychologisch negative Wirkung auf das ohnehin schwächelnde Verbrauchervertrauen haben könnte. Denn nach der Umstellung wird den Haushalten monatlich weniger Geld ausgezahlt werden, so dass sie das Gefühl haben, ihre Kaufkraft sinke. Zwar zahlen mehr als die Hälfte französischer Haushalte keine Einkommensteuer. Dennoch könnte die psychologische Wirkung auf den Binnenkonsum fatal sein, da Kritiker Macron ohnehin schon vorwerfen, nicht genügend für die Kaufkraft zu tun.Das Fallenlassen der geplanten Umstellung würde Frankreich einiges kosten. So hat die Regierung laut Informationen des Fernsehsenders LCI bereits 140 bis 150 Mill. Euro dafür ausgegeben, um die Computersysteme zu aktualisieren und das Personal der Finanzämter zu schulen. Die Unternehmen wiederum sollen 320 Mill. bis 1,2 Mrd. Euro ausgegeben haben, um ihre Software an die geplante Erhebung der Einkommensteuer an der Quelle anzupassen.Haushaltsminister Gérald Darmanin soll Macron nun Rede und Antwort stehen, ob und wie alles für die geplante Umstellung des Steuersystems vorbereitet ist. Der Präsident will in den kommenden Wochen entscheiden, ob sie nochmals verschoben wird. Ebenfalls am heutigen Dienstag dürfte bekannt werden, wer den zurückgetretenen Umweltminister Hulot ersetzen soll. Und ob Macron möglicherweise einen Befreiungsschlag versucht und auch andere unter Druck geratene Minister ersetzt.Bisher steht nur fest, dass der zwischenzeitlich als Favorit gehandelte Daniel Cohn-Bendit nicht neuer Umweltminister wird. Er sei sich in einem Gespräch mit Macron einig gewesen, dass der Wechsel ins Umweltministerium eine “gute, aber falsche Idee” wäre, sagte der deutsch-französische Politiker. Er setzt sich für die Ernennung des Frankreich-Chefs des World Wildlife Funds (WWF) Pascal Canfin oder der Direktorin der europäischen Klimastiftung Laurence Tubiana ein. Cohn-Bendit forderte auch, den Rücktritt Hulots zum Anlass für ein “Aufbäumen” in der Umweltpolitik zu nehmen. Er und drei weitere Politiker riefen Macron im “Journal du dimanche” “auf, den Abgang als “Trampolin” für den von Hulot verkörperten Wandel zu nutzen. “Hulot ist am Eisberg des Konservatismus und der Kurzfrist-Orientierung zerbrochen.”