Erben müssen mehr zahlen

Familienunternehmen lehnen Einsatz von Privatvermögen ab - Es droht neuer Rechtsstreit

Erben müssen mehr zahlen

Die Länder können nach dem Vermittlungsergebnis zur Erbschaftsteuer mehr Einnahmen erwarten. Die Wirtschaft ist zwar erleichtert, dass der Gesetzgeber eine Lösung gefunden hat, deutet aber neue Klagen an.wf Berlin – Erleichtert und zufrieden zeigten sich die schwarz-roten Regierungsfraktionen im Bundestag nach dem Vermittlungsergebnis zur Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Während die SPD sich freute, dass sie in den Verhandlungen noch mehr Aufkommen für die Länder herausgeholt hat als nach dem Bundestagsbeschluss vorgesehen, hielt sich die CDU/CSU zugute, Schlimmeres verhindert zu haben. “Durch die Verständigung wird das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer durch eine Höherbewertung der Familienunternehmen und durch weniger Ausnahmen künftig steigen”, erklärte der SPD-Fraktionsvize im Bundestag, Carsten Schneider, in Berlin.Sein Amtskollege bei der CDU/CSU, Ralph Brinkhaus, stellte fest: “Die flächendeckenden Steuererhöhungen, für die Linke und Grüne sorgen wollten, konnten wir abwenden.” Es wäre Brinkhaus zufolge sehr kurzsichtig gewesen, für mehr Steueraufkommen an die Substanz der Betriebe zu gehen.Rund 115 Mill. Euro mehr Aufkommen gemessen an den derzeit geltenden Vorschriften wird die novellierte Erbschaftsteuer laut Bundesfinanzministerium bringen. Dies ist weniger als die 200 Mill. Euro, die nach dem Regierungsentwurf von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in die Länderkassen geflossen wären, aber mehr als die 85 Mill. Euro, die nach überarbeitetem Entwurf des Bundestags angefallen wären. Das Erbschaftsteueraufkommen, das allein den Bundesländern zusteht, lag 2014 bei 5,4 Mrd. Euro und war erst im vergangenen Jahr durch die sich abzeichnende Reform auf 6,3 Mrd. Euro emporgeschnellt. Viele Unternehmer bauten noch auf das alte Recht. Sehr verhaltene ResonanzIn der Wirtschaft ist das Vermittlungsergebnis von Bund und Ländern auf sehr verhaltene Resonanz gestoßen. Der Kompromiss zwischen CDU/CSU, SPD und Grünen erspare den Familienunternehmen “den Alptraum einer Periode längerer Rechtsunsicherheit für den Generationenübergang”, erklärte Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Die Stiftung erwartet aber höhere Belastungen nicht nur durch die neue Steuerregelung, sondern auch, weil das neue Recht laut Kirchdörfer “sehr viel planungs- und beratungsintensiver” sei. Dem Gesetzgeber warf er vor, den Spielraum nicht ausreichend genutzt zu haben, den das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung gelassen habe. So sei es nach dem Urteil nicht zwingend nötig, Privatvermögen zur Zahlung der betrieblichen Erbschaftsteuer heranzuziehen. “Gerade dieser Punkt dürfte voraussichtlich noch Gegenstand einer erneuten rechtlichen Überprüfung werden”, erklärte Kirchdörfer. Die Richter hatten eine Bedürfnisprüfung für große Unternehmen verfügt. Künftig muss die Steuerschuld auch mit bis zu 50 % des Privatvermögens beglichen werden. Alternativ gibt es nur eine pauschale Befreiung, die mit zunehmendem Unternehmenswert abschmilzt.Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands VDMA, zweifelt am Bestand des Kompromisses: “Wir gehen davon aus, dass wir uns auch nach einer Einigung in naher Zukunft wieder mit der Erbschaftsteuer befassen müssen.” Der Kompromiss bedeute “definitiv eine Belastung: finanziell und administrativ”. Der CDU-nahe Wirtschaftsrat kritisierte Verschärfungen bei der Stundung und beim Vorwegabschlag für Familienunternehmen.