GASTBEITRAG

Erben - schwieriger als gedacht

Börsen-Zeitung, 27.8.2015 Die Bundesregierung hat am 8. Juli 2015 einen Gesetzentwurf zur Erbschaft- und Schenkungsteuer beschlossen, der direkt nach der Sommerpause durch Bundestag und -rat beraten und verabschiedet werden soll. Diese Neuregelung...

Erben - schwieriger als gedacht

Die Bundesregierung hat am 8. Juli 2015 einen Gesetzentwurf zur Erbschaft- und Schenkungsteuer beschlossen, der direkt nach der Sommerpause durch Bundestag und -rat beraten und verabschiedet werden soll. Diese Neuregelung wurde aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember vergangenen Jahres notwendig.Was bedeutet die Neuregelung für Firmenerben? Und wieso sollte man sich schon frühzeitig mit dem denkbaren Erbfall oder der vorherigen Schenkung der Firmenanteile auseinandersetzen? Der erste Blick täuschtAuf den ersten Blick scheint alles wie bisher: Firmenerben können zu 100 % bzw. zu 85 % von der Erbschaftsteuer verschont bleiben, wenn sie das Unternehmen sieben bzw. fünf Jahre fortführen. Auf den zweiten Blick wird jedoch deutlich: Erben wird nicht einfacher. Vielmehr müssen Firmenerben noch genauer hinschauen. Denn künftig sollen nur noch Wirtschaftsgüter begünstigt sein, die dem Hauptzweck des Betriebs dienen. Auch die Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter für die nächsten sieben bzw. fünf Jahre muss bereits ab vier Mitarbeitern gewährleistet werden. Bei der geltenden Fassung des Gesetzes ist diese erst ab zehn Mitarbeitern nötig.Zudem führt die Neuregelung eine Freigrenze ein, bis zu der die Erben von der Steuer verschont werden. Diese liegt bei 26 Mill. Euro. Das hört sich zwar nach viel an, dieser Betrag ist aber schnell überschritten. Denn die Freigrenze bezieht sich auf das gesamte, innerhalb der zurückliegenden zehn Jahre erworbene Betriebsvermögen.Ein Beispiel: Ein Unternehmerehepaar mit zwei Kindern hat eine Maschinenbau-Firma, die über die Jahre immer größer wurde. Der Verkehrswert liegt inzwischen bei rund 60 Mill. Euro. Durch den frühen Tod der Ehegattin und Mutter vor drei Jahren hatten die Kinder Anteile im Wert von jeweils 15 Mill. Euro geerbt. Verstirbt nun der Vater, hätte jedes Kind in den vergangenen zehn Jahren Unternehmensanteile von 30 Mill. Euro erhalten. Und damit bereits die Freigrenze von 26 Mill. Euro um 4 Mill. Euro überschritten. In Deutschland sind Familienunternehmen dieser Größenordnung keine Seltenheit.Interessant an der Freigrenze ist: Sobald die Grenze um nur 1 Cent überschritten wird, ist das Erbe voll steuerpflichtig. Um dies zu vermeiden, hat der Gesetzgeber weitere Ausnahmeregeln vorgesehen. Der Erbe kann, falls er über die Freigrenze kommt, zwischen zwei Optionen wählen: Zum einen steht ihm das sogenannte “Verschonungsabschlagsmodell” offen. Dabei reduziert sich der Verschonungsabschlag schrittweise ausgehend von 100 % bzw. 85 % um jeweils 1 Prozentpunkt je 1,5 Mill. Euro, um die die jeweilige Freigrenze überschritten wird. Ab einem begünstigten Vermögen von 116 Mill. bzw. 142 Mill. Euro gelten dann einheitliche Verschonungsabschläge von 35 % bzw. 20 %.Zum anderen gibt es die sogenannte “Verschonungsbedarfsprüfung”. Hierbei muss der Erbe zeigen, dass er die Steuerschuld nicht aus der Hälfte seines Privatvermögens zahlen kann. Dazu muss er dann sein gesamtes Vermögen gegenüber dem Fiskus offenlegen – inklusive aller im Familienbesitz befindlichen Wertgegenstände wie Kunstwerke oder Edelmetalle. Freistellung für MittelloseWas geschieht, wenn die Erben gar kein Vermögen haben, um die Erbschaftsteuer aufzubringen? In diesem Fall stellt das neue Steuerrecht die Erben von begünstigten Firmenvermögen vollständig von der Steuer frei. Eine deutliche Verbesserung gegenüber dem geltenden Recht, auch wenn dies bei Erben eines Familienunternehmens eher selten eintritt.Bei allen Ausnahmen, Freigrenzen und Verschonungsregeln ist wichtig: Die Erblasser und Erben sollten sich möglichst frühzeitig mit der neuen, geplanten Gesetzgebung beschäftigen. Auch wenn man sich ungern mit dem eigenen Tod und seinen Folgen auseinandersetzt: Gerade bei Familienunternehmen sollte früh geprüft werden, in welcher Weise eine Verschonung der Erbschaftsteuer möglich ist und was dies im Einzelnen bedeutet. Denn für viele dürfte die Verschonungsbedarfsprüfung eher abschreckend sein, so dass in vielen Fällen zur Zahlung der Steuer die bisherige Liquiditätsplanung gemeinsam mit dem Steuerberater angepasst werden wird. Denn möchte der Erbe das vorhandene Privatvermögen nicht offenlegen, wird die Steuerlast höher. Frühzeitige Vorsorge – beispielsweise mit einer Versicherung – schafft dabei Abhilfe. Nur dann hat der Firmenerbe auch tatsächlich eine Wahl und kann sich zwischen den einzelnen Optionen entscheiden. Eines aber ist sicher: Für die zwischen 2014 und 2018 jährlich rund 27 000 Familienunternehmen in Deutschland, bei denen nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung die Regelung der Nachfolge ansteht, wird Erben mit der Neuregelung künftig nicht einfacher. Erben will gut vorüberlegt sein.—-Klaus Dauner, Vorstand Deutsche Lebensversicherungs-AG