Erdogan kontert Rating-Herabstufungen
arp/BZ Frankfurt – Auch nach der Herabstufung durch zwei führende Ratingagenturen setzt der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan seinen in der Öffentlichkeit unnachgiebigen Kurs gegenüber den USA und dem Westen fort. Die türkische Lira, die seit Jahresfrist rund 40 % ihres Wertes gegenüber dem Dollar verloren hatte, reagierte gestern aber nur mit vergleichsweise moderaten Verlusten. In Deutschland gab es derweil einen Streit über mögliche Finanzhilfen für Ankara.In einer Ansprache aus Anlass des muslimischen Opferfestes sprach Erdogan erneut von wirtschaftlichen Attacken auf die Türkei: “Der Angriff auf unsere Wirtschaft unterscheidet sich in nichts von einem Angriff auf unseren Ruf zum Gebet oder auf unsere Flagge.” Das Ziel sei dasselbe: Das türkische Volk solle gefangen genommen werden. Erdogan nannte keine Urheber der von ihm ausgemachten Angriffe. Er hatte früher aber eine im Verborgenen handelnde “Zins-Lobby” westlicher Ratingagenturen und Financiers genannt. Rezession befürchtet Standard & Poor’s (S & P) hatte das Rating der Türkei am späten Freitagabend von BB- auf B+ zurückgesetzt – und damit noch tiefer in den Ramschbereich hinein. Kurz darauf nahm auch Moody’s sein Türkei-Rating um eine Stufe zurück von Ba2 auf Ba3 – mit dem Ausblick auf “negativ”. Aus Sicht der Bonitätswächter droht der Türkei eine Wirtschaftskrise. Verwiesen wird auch auf die extremen Schwankungen der Lira. S & P erklärte, man gehe von einer Rezession in der Türkei im nächsten Jahr aus – mit einer um 0,5 % sinkenden Wirtschaftsleistung. Die Agenturen sorgen sich um die Unabhängigkeit der türkischen Notenbank und kritisieren ein halbherziges Vorgehen der Regierung.Die Regierung Erdogans liegt mit der Regierung der USA von Präsident Donald Trump seit längerem im Clinch. Die USA werfen Ankara unter anderem vor, bei der Umgehung von Iran-Sanktionen zu helfen. Der Streit entbrannte öffentlich an dem unter Hausarrest stehenden US-Geistlichen Andrew Brunson. Die Türkei wirft ihm vor, an dem Putschversuch gegen Erdogan im Jahr 2016 beteiligt gewesen zu sein. Die USA halten ihn für unschuldig und drohten weitere Sanktionen an, sollte er nicht bald freigelassen werden.Unterdessen stritten führende Politiker in Deutschland über wirtschaftliche Hilfe für Ankara. SPD-Chefin Andrea Nahles hatte die Debatte am Wochenende ausgelöst. “Es kann die Situation entstehen, in der Deutschland der Türkei helfen muss”, hatte sie gesagt. Die Frage deutscher Hilfen “stellt sich für die Bundesregierung aktuell nicht”, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert gestern. Er bekräftigte aber, dass Deutschland ein Interesse an einer wirtschaftlich stabilen Türkei habe. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sehe keine Notwendigkeit, bei dem Treffen mit Erdogan Ende September über Hilfen zu sprechen, twitterte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer gestern nach einer Sitzung der Parteispitze.