Erdogans Außenpolitik rückt in den Fokus

Türkische Notenbank zögert mit Leitzinserhöhung

Erdogans Außenpolitik rückt in den Fokus

rec Frankfurt – Zögerliche Währungshüter und eine unvermindert konfrontative Außenpolitik von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan setzen die Türkei an den Kapitalmärkten immer stärker unter Druck. Gestern verzichtete die Notenbank in Ankara auf eine von vielen Beobachtern als dringend notwendig erachtete Erhöhung des Leitzinses. In der Folge fiel die Landeswährung Lira auf ein neuerliches Rekordtief zum Dollar. Für zusätzliche Unsicherheit sorgen geopolitische Konflikte wie der Streit um Erdgasvorkommen im Mittelmeer und die wiederaufgeflammten Kämpfe zwischen Aserbaidschan, einem Verbündeten der Türkei, und Armenien um die Region Bergkarabach im Südkaukasus.Angesichts hoher Inflation, der taumelnden Lira und geschröpfter Währungsreserven hatten die meisten Volkswirte beim gestrigen Zinsentscheid mit einem weiteren, substanziellen Schritt nach oben gerechnet. Doch die Währungshüter beließen den Leitzins bei 10,25 %. Stattdessen erhöhten sie auf anderem Wege die Refinanzierungskosten für Banken. An den Märkten wurden solche Schritte in der Vergangenheit als “mangelnde Entschlossenheit” und “Kniefall vor dem Staatspräsidenten interpretiert”, wie DZ-Bank-Ökonom Sören Hettler bemerkte. Staatspräsident Erdogan pocht ungeachtet der Währungsturbulenzen immer wieder auf weitere Zinssenkungen.Zunehmend größere Sorgen machen Analysten außenpolitische Risiken. So hat Ankara vor wenigen Tagen die umstrittene Suche nach Erdgas im östlichen Mittelmeer wiederaufgenommen und ausgeweitet. Griechenland fordert deshalb Berichten zufolge, dass Deutschland seine Rüstungsexporte in die Türkei einstellt und die Europäische Union eine Aufhebung der Zollunion prüft. Die Türkei wiederum verurteilte gestern eine am Vorabend in Nikosia verkündete Kooperation Griechenlands mit den Mittelmeeranrainern Ägypten und Zypern. Die angebliche Absicht, sich gemeinsam für mehr Stabilität in der Region einzusetzen, ziele in Wahrheit gegen die Türkei, hieß es vom türkischen Außenministerium.Auch im Südkaukasus spitzt sich die Lage zu. In dem Konflikt um Bergkarabach steht die Türkei an der Seite Aserbaidschans, das sich mit Armenien Kämpfe um die von beiden Seiten beanspruchte Bergregion liefert. Heute sind Gespräche zwischen den Außenministern Aserbaidschans und Armeniens in Washington anberaumt. Zuvor kündigte der türkische Außenminister an, Baku auf Verlangen militärisch zu unterstützen. – Bericht Seite 24