Erholung schleicht voran

Euro-Industrie weitet Produktion im Juli nicht mehr ganz so kräftig aus

Erholung schleicht voran

Die konjunkturelle Erholung im Euroraum und in Deutschland kommt weiter voran. Allerdings hat die Industrieproduktion im Juli bereits wieder merklich an Fahrt verloren, so dass sich der Aufholprozess weiter in die Länge ziehen wird. Ökonomen bleiben dennoch zuversichtlich.ba Frankfurt – Die Industrie im Euroraum erholt sich weiter von dem Absturz infolge der Corona-Pandemie, allerdings ist das Tempo im Juli zurückgegangen. Laut dem Statistikamt Eurostat fertigte die Industrie in den 19 Ländern des gemeinsamen Währungsraums 4,1 % mehr als im Vormonat. Dies traf in etwa die Erwartung der Ökonomen. Im Juni und Mai war die Erholung mit Zuwächsen von revidiert 9,5 (zunächst: 9,1) % und 12,2 % noch um einiges dynamischer. Im März und April war die Produktion wegen der Corona-Pandemie kräftig gedrosselt worden (siehe Grafik).Der Jahresvergleich zeigt allerdings, dass es noch ein Stück hin ist zum Vorkrisenniveau: Die Fertigung ist im Juni um 7,7 % gesunken nach einem Rückgang von revidiert 12,0 (zuvor: 12,3) % im Juni und – 20,4 % im Mai. Da die Produktion immer noch um 8 % unter dem Niveau von vor der Coronakrise liegt, erwarten Ökonomen, dass sich die Erholung noch länger hinziehen wird. Die Experten von Oxford Economics etwa rechnen nicht vor Ende 2021 mit einer vollständigen Erholung. Zudem zeigen Echtzeitindikatoren, dass sich die Erholung der Wirtschaftstätigkeit wegen steigender Infektionszahlen abschwächt.Mit Ausnahme von Belgien (-0,5 %) und Lettland (-0,8 %) verzeichneten alle Länder der Eurozone, für die Juli-Daten vorliegen, ein Produktionsplus im Monatsvergleich. Am stärksten stieg die Fertigung in Portugal (+ 11,9 %), Spanien (+ 9,4 %) und Irland (+ 8,3 %). Dass der Output in Deutschland mit 2,4 % zum Juni deutlich schwächer zulegte, ist auch auf die immer noch unterdurchschnittliche Entwicklung der Automobilproduktion zurückzuführen. Laut Bundeswirtschaftsministerium lag diese im Juli bei etwa 85 % des Vorkrisenniveaus. Während der Anteil der Automobilindustrie an der Bruttowertschöpfung in Spanien bei 7,7 %, in Italien bei 4,7 % und in Frankreich bei 4,3 % liegt, ist der Anteil hierzulande mit rund 19 % erheblich höher. Talsohle durchschrittenEbenfalls noch lange nicht ausgestanden ist die Krise laut dem aktuellen Monatsbericht des Bundeswirtschaftsministeriums im hierzulande ebenfalls wichtigen Maschinenbau, der die Folgen der globalen Corona-Pandemie besonders zu spüren bekam. Hier ist der Stand bei rund 87 % des Vorkrisenniveaus. Die Produktion in der Industrie insgesamt erreichte zuletzt fast wieder 90 % ihres Niveaus von vor Ausbruch der Coronakrise im letzten Quartal des Jahres 2019. Bis die deutsche Wirtschaft wieder zum Vorkrisenniveau aufschließt, werde es Anfang 2022 sein, erwartet das Ministerium. Aktuell setze sich die positive Entwicklung fort, wenn auch in kleineren Schritten als in den Vormonaten.Die Talsohle der Rezession sei bereits im Verlauf des zweiten Quartals durchschritten worden, und für das dritte Quartal zeichne sich ein deutliches Wachstum ab. In der zweiten Jahreshälfte seien “zudem durch die Mehrwertsteuersenkung und den Kinderbonus Impulse für die Binnennachfrage zu erwarten”, so das Ministerium. Die Bundesregierung erwartet für das laufende Jahr ein Minus von 5,8 % – in der vorherigen Prognose waren es noch – 6,3 %.Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erwartet in seiner Herbstprognose – sofern es zu keinem zweiten Lockdown kommt – ein Minus von 6,25 % für dieses Jahr, 2022 soll die Wirtschaft aber bereits wieder 4,25 % zulegen. Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, sieht die Wirtschaft “in einer sehr angenehmen Phase des Konjunkturzyklus”, nämlich am Beginn eines neuen Aufschwungs, wie er gestern in einer Telefonkonferenz sagte. Die Rezession liege hinter uns, allerdings gebe es in Zusammenhang mit dem Virus, aber auch mit der Politik weiter große Risiken. Die aktuellen Wirtschaftsdaten würden weiter zum Grundmuster einer Erholung in Form eines “Häkchens” (“tick-shaped”) passen. Mit Blick auf die deutsche Wirtschaft erwartet Schmieding für 2020 ein Minus von 6,0 % und für 2021 dann ein Wachstum von 4,6 %.