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Es darf nur ein Ziel geben: Preisstabilität

Börsen-Zeitung, 15.7.2017 Jetzt fehlt nur noch, dass EZB-Präsident Mario Draghi in Personalunion das Amt des europäischen Finanzministers übernimmt, um der stärkeren Integration der Währungsgemeinschaft neuen Schwung zu geben. Einem kleinen...

Es darf nur ein Ziel geben: Preisstabilität

Jetzt fehlt nur noch, dass EZB-Präsident Mario Draghi in Personalunion das Amt des europäischen Finanzministers übernimmt, um der stärkeren Integration der Währungsgemeinschaft neuen Schwung zu geben. Einem kleinen europäischen Budget ist bekanntlich nicht einmal Bundeskanzlerin Angela Merkel abgeneigt, wie sie soeben beim Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erinnerte; und für den EZB-Chef wäre es bekanntlich ein Leichtes, ein kleines Budget groß zu machen. Das Problem: Sätze wie diese werden von vielen im Lande, selbst in deutschen Landen, nicht mehr als Realsatire, sondern als Beschreibung einer logischen oder gar wünschenswerten Entwicklung verstanden. Auch noch Klimapolitik?Der Europäischen Zentralbank (EZB) wird so ziemlich alles zugetraut. Was in Krisenzeiten vielleicht ein Segen war und die handlungsunfähige wie handlungsunwillige Politik entlastete, droht nun zum Fluch zu werden. Ein Segen war es sicherlich, dass die Märkte einst jenes “whatever it takes” von Mario Draghi glaubten und so das Eindämmen der Finanz- und Euro-Krise ermöglichten. Sehenden Auges in Kauf genommen wurde damit eine Mandatsüberschreitung der EZB von der Geldpolitik zur Fiskalpolitik. Längst erwartet man von der Notenbank auch die Sicherung der Finanzstabilität in der Eurozone und der Geschäftsbanken, ganz gleich, ob das zum geldpolitischen Auftrag passt oder sogar in Konflikt mit ihm steht. Damit nicht genug. Vermehrt gibt es aus der Politik Forderungen, die EZB möge doch bitte mit ihren Anleihekäufen auch wünschenswerte andere politische Ziele wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit fördern und beispielsweise bevorzugt Green Bonds erwerben. Die Büchse der PandoraHöchste Zeit, solche Phantastereien auf den Boden der Realität zu holen, wird sich Bundesbank-Präsident Jens Weidmann gedacht haben, als er dieser Tage eine Rede auf dem “Global Public Investor Symposium” in Frankfurt halten durfte. Nicht zum ersten Mal warnte er davor, die Büchse der Pandora zu öffnen und das Mandat des Eurosystems zur Wahrung der Preisstabilität mit anderen politischen Zielen zu be- und zu überfrachten. Doch manche Übel sind der Büchse längst entwichen. Dazu gehört die auch unter Notenbankern verbreitete Auffassung, neben dem Ziel der Preisstabilität habe die EZB gleichrangig auch das Ziel der Finanzstabilität zu verfolgen. Dem Mann auf der Straße und somit auch den meisten Politikern werden solche Gedanken einleuchten, einen Bundesbanker wie Jens Weidmann aber müssen sie erschaudern lassen. Wie will man Finanzstabilität messen? Wo beginnt “too big to fail”? Ab wann steckt in Assetpreisen eine Blase? Welches erprobte Instrumentarium gibt es, um ein solches Ziel zu erfüllen und zu sichern? Hat eine Notenbank die demokratische Legitimation, die dafür nötigen Instrumente einzusetzen? Ab welcher Höhe kann das Zinsniveau die politische Stabilität und damit die der Finanzmärkte gefährden?Eine Antwort auf diese Fragen wird man vielleicht schneller geben müssen, als wir uns heute vorstellen. Noch ist die EZB zwar dabei, in Ergänzung zum Leitzins von null jeden Monat für 60 Mrd. Euro Anleihen aufzukaufen und Geld in den Markt zu pumpen. Doch ein Ende naht, vielleicht schon verkündet in der September-Sitzung des EZB-Rates. Das absehbare Auslaufen der Aufkäufe heißt zwar noch lange nicht, dass die Geldpolitik damit “normal” oder gar restriktiv würde und die EZB flugs die soeben aufgekauften Anleihen wieder abgibt – dazu bräuchte sie ja auch, dasselbe Tempo wie beim Ankauf unterstellt, bei einem Volumen von gut 2,3 Bill. Euro bis weit ins Jahr 2021. Doch auf eine Rückführung der stark expansiven Geldpolitik nach dem Vorbild der US-Notenbank Fed unter Janet Yellen sollte sich das EZB-Direktorium schon mal vorbereiten.Mag sein, dass es angesichts fehlender Inflationserwartungen Mario Draghi erspart bleibt, in seiner noch bis Oktober 2019 laufenden Amtszeit den Leitzins von der Nulllinie spürbar nach oben zu schleusen und damit die hoch verschuldeten Euroländer einschließlich seines Heimatlandes in Aufregung zu versetzen. Denn noch dämpfen Globalisierung, Strukturreformen, Entschuldungsprozesse und nicht ausgelastete Kapazitäten (sogenannte negative Output-Lücke) den Preisauftrieb. Doch Draghis Nachfolger, der mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit Jens Weidmann heißen könnte, weil nach den Niederlanden, Frankreich und Italien zur Abwechslung auch mal die größte Volkswirtschaft der Eurozone den Präsidenten stellen sollte, wird sich in seiner Amtszeit vorrangig mit der Normalisierung der Geldpolitik in quantitativer wie auch qualitativer Hinsicht beschäftigen müssen. Eine undankbare Aufgabe, wenn nicht Quadratur des Kreises, weil sie nicht darin besteht, verschwenderischen Finanzministern mit Gelddrucken aus der Patsche zu helfen, sondern sie über die Normalisierung der Zinsstruktur zu Haushaltsdisziplin zu zwingen. Es wird Rückgrat brauchen, um bei den Drohszenarien einer nächsten Finanzkrise oder eines bevorstehenden Weltuntergangs – jedenfalls in den Club-Med-Ländern – nicht einzuknicken. Auch deshalb liegt es nahe, für die nächste Präsidentschaft der EZB einen selbstbewussten, geradlinigen, berechenbaren wie auch wissenschaftlich sattelfesten und ein starkes Euro-Land repräsentierenden nationalen Notenbankchef auszusuchen. Stabiles WachstumJe klarer die EZB schon heute ihr alleiniges Ziel der Preisstabilität herausstreicht und die Zielmarke von unter 2% Inflation gegen allfällige Aufweichungsversuche verteidigt, desto größer die Chance, damit auch dann zu bestehen, wenn sich der Wind gedreht hat. Mario Draghi hat die Chance, ja die Pflicht, angesichts stabilen Wachstums in der Eurozone in der bevorstehenden Ratssitzung das Signal für den Einstieg in den Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik zu geben und im September Nägel mit Köpfen zu machen und das Ende der Anleihekäufe zum Jahresende zu verkünden.—-c.doering@boersen-zeitung.de——–Von Claus Döring Mario Draghi ist gut beraten, schon jetzt das Signal für das Ende der Anleihekäufe der EZB zu geben.——-