SCHWEIZ KIPPT EURO-MINDESTKURS

"Es fehlen mir die Worte"

Swatch-Chef Hayek fürchtet um Schweizer Wirtschaft - Exportorientierte Unternehmen unter Druck

"Es fehlen mir die Worte"

Von Peter Olsen, FrankfurtDie Aufgabe der Kursbindung des Schweizer Franken an den Euro hat die Wirtschaft der Eidgenossenschaft offenbar unvorbereitet getroffen. “Es fehlen mir die Worte”, sagte Nick Hayek, Chef des Uhrenherstellers Swatch in einer ersten Reaktion. “Was die SNB da veranstaltet, ist ein Tsunami.” Niemand habe seine Währungsposition genügend abgesichert, sondern sich auf den Kurs der Nationalbank verlassen, meint Ralf Zimmermann vom Bankhaus Lampe. Blue Chips verlierenNachdem für den Euro lange Zeit 1,20 sfr als Mindestkurs galten, stürzte die Währung gestern auf ein Rekordtief von 0,8423 sfr. In der Folge gerieten Aktien stark exportorientierter oder ohnehin international aufgestellter Schweizer Unternehmen wie ABB, Holcim, Nestlé, Novartis, Richemont, Roche oder Swatch mit teils zweistelligen Prozentabschlägen unter Druck. Die im Schweizer Benchmark-Index SMI enthaltenen 20 Blue Chips büßten zeitweise 127 Mrd. sfr an Wert ein.Die wirtschaftsstarke, zugleich aber bevölkerungsarme Schweiz ist vom Erfolg an den internationalen Märkten stärker noch als Deutschland abhängig. Zwar sind die Unternehmen im südlichen Nachbarland die Herausforderungen eines im Wettbewerb starken Schweizer Franken gewohnt. Eine so abrupte Aufwertung wie jetzt aber wirkt wie ein Schock und ist weniger leicht zu verdauen als eine allmähliche Aufwertung.In den Investmentbanken werden bereits die Kursziele für Schweizer Unternehmen neu gerechnet. “Ganz klar, die Gewinne von Roche und Novartis werden leiden”, meint beispielsweise laut Bloomberg Michael Leuchten von Barclays. Schon bisher haben Schweizer Unternehmen mit starkem Auslandsgeschäft ihre vergleichsweise geringen sfr-Umsatzsteigerungen damit erklärt, dass sie in lokalen Währungen der von ihnen bedienten Zielmärkte wesentlich stärker expandierten, als es in den auf Franken umgerechneten Geschäftszahlen zum Ausdruck komme. Der Pharmamulti Novartis berichtet schon seit längerem in Dollar, nicht in sfr.Auch wenn gerade international erfolgreiche Schweizer Unternehmen den Großteil ihrer Umsatzerlöse im Ausland – bei Nestlé sind es 98 % – erzielen, ist der in heimischer Währung in der Eidgenossenschaft zu finanzierende Kostenblock beachtlich. Um zumindest stabile Einnahmen zu sichern, müssten im Exportgeschäft und im Ausland die Preise in den dortigen Währungen erhöht werden. Das dürfte die Marktlage aber wegen des Wettbewerbs und der konjunkturellen Entwicklung nicht in vollem Umfang zulassen. Umsatzeinbußen in Franken und letztlich auch niedrigere ausgewiesene Gewinne sind die logische Folge.Schon in der Vergangenheit führte die Franken-Stärke deshalb tendenziell zu Verlagerungen von Geschäft und Produktion ins Ausland. Zwar hilft ein starker Franken dabei, im Ausland billiger einzukaufen – auch Firmenübernahmen im Ausland werden attraktiver -, aber die Umsatzeinbußen dürften unter dem Strich mit diesen Vorteilen nicht aufgefangen werden können. Am besten dürften mit der neuen Situation letztlich die rein national ausgerichteten Kleinunternehmen auf der einen und die wahren Multis mit ihren weitgehend vom Heimatmarkt unabhängigen Finanzierungskreisläufen im Ausland auf der anderen Seite zurechtkommen.