"Es wäre keine freundliche Scheidung"

Britische Unternehmen beginnen damit, Notfallpläne für Brexit zu erarbeiten

"Es wäre keine freundliche Scheidung"

hip London – Bislang hat man in den Vorstandsetagen britischer Unternehmen die Möglichkeit eines britischen Ausstiegs aus der EU nicht sonderlich ernst genommen. Man habe sich in der Kaffeepause, beim Mittagessen oder vielleicht beim Abendessen darüber unterhalten, aber nicht am Konferenztisch, sagte Carolyn Fairbairn, die Generaldirektorin der Confederation of British Industry, auf einer Veranstaltung der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer in London. Nun fingen die Firmen jedoch an, Notfallpläne zu erarbeiten und sich zu überlegen, welche Folgen ein Brexit für sie haben könnte. “Das ist offenkundig ein extrem unsicheres Umfeld”, sagte sie, zumal es keine Blaupause dafür gebe, was nach einem Austritt kommen könnte. Es war Fairbairns neunter Tag an der Spitze des Unternehmensverbands. “Hölle auf Erden””Es wäre keine freundliche Scheidung, daran sollte man keine Zweifel hegen”, sagte Großbritanniens früherer EU-Botschafter David Hannay. Er rechnet unter anderem wegen der 2017 anstehenden Wahlen in Deutschland und Frankreich und der britischen Ratspräsidentschaft damit, dass die von David Cameron im Wahlkampf versprochene Volksabstimmung über die Zukunft des Landes in Europa schon im kommenden Jahr stattfinden wird. Mit Blick auf die Erfahrungen beim schottischen Unabhängigkeitsreferendum sei damit zu rechnen, dass die heiße Phase vor der Abstimmung nicht gerade angenehm verlaufen werde. In den sozialen Medien werde die “Hölle auf Erden” herrschen.”Es ist problematisch, dass die Medien stark euroskeptisch eingestellt sind”, sagte Fairbairn. Die Wirtschaft müsse sich in dieser Debatte stärker Gehör verschaffen. Vor 40 Jahren waren die Medien proeuropäisch. Großbritanniens Wirtschaft ging am Stock, Kontinentaleuropa ging es dagegen gut. Zudem lockten die mit einem vereinigten Europa verbundenen Wachstumsversprechungen. Mittlerweile haben sich die Verhältnisse umgekehrt. In Meinungsumfragen steht es mittlerweile 50:50, Unentschlossene herausgerechnet. Hannay verwies darauf, dass Umfragen im Herbst 1974 – ein halbes Jahr vor dem ersten britischen EU-Referendum – auf eine Zweidrittelmehrheit für den Ausstieg hindeuteten. Er rechne allerdings dieses Mal mit einem knapperen Ausgang.Kein EU-Mitgliedstaat wünsche sich, dass Großbritannien die Staatengemeinschaft verlasse, sagte Jonathan Faull, der die Taskforce der EU-Kommission zum britischen Referendum leitet. Es gebe jedoch in ganz Europa sehr wenig Appetit auf Vertragsänderungen in nächster Zukunft. Man wisse nun, worüber die britische Regierung verhandeln wolle, sagte Faull, der zugleich die “nicht gerade präzise Wortwahl” des Schreibens von Cameron an EU-Ratspräsident Donald Tusk bemängelte. Die nächste Ratssitzung finde im Dezember statt. Wenn es bereits dort zu einer Einigung kommen solle, “wäre in den nächsten Tagen eine Menge harte Arbeit nötig”. Die nächste Sitzung finde im Februar kommenden Jahres statt. Den Streit um die Formulierung in der Vertragspräambel, nach der die Völker Europas eine immer engere Union anstreben sollen, hält Faull für lösbar. Es handele sich dabei nicht um ein Bekenntnis zum Föderalismus. “Das beste Beispiel für diese immer engere Union waren die englischen Fußballfans im Wembley-Stadion, die die Marseillaise gesungen haben.”