Es wird eng für Theresa May

Abtrünnige Abgeordnete könnten Gesetzesänderungen erzwingen - Blankfein für weiteres Referendum

Es wird eng für Theresa May

Die britische Premierministerin Theresa May hat mit einem Änderungsantrag der Regierung zum EU-Austrittsgesetz offenbar den Bogen überspannt. Sie wollte damit den Termin für den Brexit gesetzlich festlegen. Europafreundliche Tory-Abgeordnete verweigerten ihr aber die Gefolgschaft. Es waren so viele, dass Labour mit ihrer Hilfe den Antrag zu Fall bringen könnte.Von Andreas Hippin, LondonWird sie, oder wird sie nicht? Die Frage, ob die Regierung ihren eigenen Änderungsantrag zum EU-Austrittsgesetz zurückziehen wird, bestimmte zuletzt die Debatten in den Gängen des britischen Parlaments. Premierministerin Theresa May wollte darin den Termin für den Brexit gesetzlich festschreiben. Aus der Downing Street hieß es, man werde keinen Rückzieher machen. Vermutlich glaubt May, damit die Herzen der Brexiteers für sich gewinnen zu können. Ansonsten besteht keine Notwendigkeit für eine solche Festlegung, weil sich der Termin aus dem Zeitpunkt des Austrittsersuchens nach Artikel 50 ergibt.Allerdings berichtete der “Evening Standard”, bei dem der ehemalige Schatzkanzler George Osborne den Ton angibt, von 25 vergrätzten konservativen Abgeordneten, die mittlerweile zur Rebellion gegen May bereit seien. Bislang wagte es nur ein Unterhausmitglied, gegen seine Regierung zu stimmen: der ehemalige Schatzkanzler Kenneth Clarke. Sieht man sich allerdings die jüngsten Abstimmungen während der Debatte des Gesetzes in den Ausschüssen an, setzte sich die Regierung oft nur mit sehr knappen Mehrheiten durch. Bei sieben von zehn Voten belief sich der Vorsprung auf 20 Stimmen oder noch weniger. Eine Niederlage der Regierung wäre also durchaus möglich. Der für den Brexit zuständige Staatssekretär David Davis deutete bereits an, dass Zugeständnisse möglich sein könnten, und fiel damit May in den Rücken.Unterdessen sprach sich Lloyd Blankfein, der Chef der US-Investmentbank Goldman Sachs, auf Twitter für ein weiteres EU-Referendum aus. “Hier in Großbritannien gibt es viel Händeringen von CEOs wegen des Brexit”, schrieb Blankfein. Sie hätten ein besseres Gefühl, was für ein harter und riskanter Weg vor ihnen liege. Sie hielten sich zwar zurück, es anzusprechen, aber “viele würden sich eine Abstimmung zur Bestätigung des derart monumentalen und irreversiblen Votums wünschen. Es steht so viel auf dem Spiel, warum nicht sicherstellen, dass es die Zustimmung dafür noch gibt?”Die Zerfallserscheinungen bei den Tories dürften aber nicht dafür sorgen, dass demnächst Neuwahlen ins Haus stehen. Das liegt nicht nur daran, dass zahlreiche konservative Abgeordnete angesichts des beeindruckenden Comebacks von Labour fürchten, nicht wiedergewählt zu werden. Auch bei den schottischen Nationalisten dürfte man angesichts des schlechten Wahlergebnisses vom Juni kein Interesse daran haben, weitere Mandate zu verlieren. Verhandlungen festgefahrenDie Verhandlungen mit der EU sind festgefahren. London müsse bis spätestens Anfang Dezember Zugeständnisse machen, machte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitag in Göteborg Druck. Nur dann könne Mitte Dezember die zweite Verhandlungsphase eingeläutet werden. Der EU-Verhandlungsführer Michel Barnier hatte bereits in der vergangenen Woche eine ähnliche Frist gestellt. Davis sagte der BBC, Großbritannien habe bereits “eine ganze Menge” Kompromisse gemacht. “Wir haben das nicht immer zurückbekommen.” EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagte am Rande des EU-Sozialgipfels, er hoffe auf eine Einigung. “Aber es ist noch Arbeit zu tun.” Tatsächlich dürfte der Termin im März 2019 nicht der faktische Austrittstermin sein, denn einer bis dahin hoffentlich erzielten Übereinkunft müssten die 27 Mitgliedstaaten Resteuropas und das Europäische Parlament zustimmen – ein Prozess, der sich über Monate hinziehen dürfte.